Auf einen Glühwein mit ... Auf einen Glühwein mit ...: Schaustellerfamilie seit 50 Jahren auf Weihnachtsmarkt

Halle (Saale) - Bis zum Heiligabend treffen wir Hallenser auf dem Weihnachtsmarkt, die bei einem Glühwein erzählen, wie sie das Fest feiern - oder in der Kindheit gefeiert haben. Hier: Alexander Steinicke.
Wenn Eltern mit ihren Kindern auf den Weihnachtsmarkt gehen, dann kommen sie wohl an einem nicht vorbei: An einer Fahrt mit dem „Weihnachtszirkus“, dem Kinderkarussell, das direkt vor dem Kaufhof steht. „Wir sind seit 50 Jahren mit einem Karussell auf dem Weihnachtsmarkt“, weist Alexander Steinicke auf ein Jubiläum hin. Der 35-Jährige ist Schausteller in der dritten Generation seiner Familie. Bereits der Vater und auch der Großvater fuhren von Jahrmarkt zu Jahrmarkt.
Schausteller in Halle: „Für 20 Pfennig konnten man damals Karussell fahren“
„Für 20 Pfennig konnten man damals Karussell fahren“, weiß Steinicke. Während der Großvater ab den 1950er Jahren noch mit einer Schießbude auf dem Weihnachtsmarkt vertreten war, übernahm Vater Klaus-Dieter Steinicke in den 1960er Jahren den Schaustellerbetrieb und kaufte ein Karussell. „Es war damals unfertig. Mein Vater hat selbst viel daran gebaut.“ Ab 1968 drehte es mit einer handgemachten Westernkutsche aus Holz, einer Prinzessinnenkutsche sowie einer Straßenbahn und weiteren Aufbauten seine Runden - auf dem halleschen Weihnachtsmarkt und auf Volksfesten.
Was kaum einer heute noch weiß: Das Fahrgeschäft wurde mit einem mordsgefährlichen Gerät betrieben. „Damals gab es einen Anlasser in Form eines offenen Behälters, in dem Wasser war. Das stand unter Strom. Man musste drei Gabeln in das Wasser sinken lassen, dann drehte sich das Karussell“, weiß Alexander Steinicke. Je schneller man die Gabeln ins Wasser fallen ließ, um so schneller drehte sich das Karussell. „So ein Anlasser ist heute natürlich nicht mehr erlaubt“, sagt er. Heute steuert eine Automatik den Drehteller - eine Runde dauert zwei Minuten.
Schausteller in Halle: „Dieses Karussell hat sogar mal einen Preis gewonnen als schönstes Fahrgeschäft“
„Dieses Karussell hat sogar mal einen Preis gewonnen als schönstes Fahrgeschäft“, schwärmt Alexander Steinicke heute noch. Dann kam die Wende und die Steineckes waren sich sicher, dass die Zeiten für Nostalgiekarussells vorbei sind. „Wir haben es 1991 verkauft, weil wir mit der Zeit gehen wollten und Geld für ein neues Fahrgeschäft brauchten“, sagt er. Ein Diskothekenbesitzer aus Hamburg kaufte das Karussell. Was daraus geworden ist, haben sich die Steinickes später einmal bei einem Besuch in Hamburg angesehen. „Es war völlig runtergekommen. Der Diskothekenbesitzer hatte die Drehfläche als Tanzfläche genutzt und viele Aufbauten entfernt“, berichtet Alexander Steinicke. „Mein Vater hat geweint, als er das gesehen hat.“
Seit 1991 dreht nun der „Märchenzirkus“, beim Weihnachtsmarkt zum „Weihnachtszirkus“ umgebaut, die Runden. Dass das Karussell jedes Jahr an derselben Stelle, direkt vor dem Kaufhof, aufgebaut ist, findet Steinicke gut. „Seit zwanzig Jahren sind wir schon hier.“ Wir, das sind in dem Fall der Betreiber Steinicke, der 2016 den Betrieb übernommen hat, und Mitarbeiter Peter Lampe, der seit 27 Jahren bei den Steinickes angestellt ist.
In den 1950er Jahren, als der Großvater in das Gewerbe einstieg, und auch zu DDR-Zeiten sei der Schaustellerbetrieb eine richtige Goldgrube gewesen: „Es gab ja damals nicht viele Freizeitangebote.“ Heute seien die Kosten einfach höher und deswegen alles etwas schwieriger - aber trotzdem ein schöner Beruf: „Ich kann mich selbst bestimmen“, sagt Alexander Steinicke.
Die gesamten vier Wochen des Weihnachtsmarktes ist er von 10 bis 21 Uhr vor Ort und verkauft Fahrchips, startet auch selbst das Karussell. Abends, wenn weniger Betrieb ist, dreht er auch mal eine Runde über den Weihnachtsmarkt und überlässt das Ruder seinem Mitarbeiter. „Ich finde, dass der Weihnachtsmarkt in Halle einer der schönsten in Deutschland ist. Aber: Als Kind fand ich ihn noch schöner, weil er eingezäunt war und ein großes Tor der Einlass war.“ (mz)