Astronaut kommt nach Halle Astronaut kommt nach Halle: Würden Sie noch einmal ins All fliegen, Herr Messerschmid?

Halle (Saale) - Am 30. Oktober 1985 startete Ernst Messerschmid zusammen mit anderen Astronauten an Bord des Space Shuttles Challenger zur D1-Mission. Der Physiker und Raumfahrer umkreiste damals sieben Tage lang die Erde. Am Donnerstag, 28. März, kommt er zu einer wissenschaftlich-literarischen Reise nach Halle.
Der Grund: Vor 50 Jahren, im Juli 1969, betraten Menschen zum ersten Mal den Mond. MZ-Redakteur Walter Zöller sprach mit Messerschmid, der nach seinem Raumflug unter anderem das Europäische Astronautenzentrum ESA leitete.
Herr Messerschmid, Ihre Weltraummission ist gut 33 Jahre her. Verblasst die Erinnerung daran?
Ernst Messerschmid: Nein, ein solches Erlebnis ist immer präsent. Das geht nicht nur mir, sondern auch den meisten anderen Astronauten so. Die völlig neue Sicht auf unseren Planeten, im All tausendmal mehr Sterne zu sehen als hier auf der Erde, die Erfahrung der Schwerelosigkeit und schließlich einmalige Experimente im All als Erster durchführen zu können - das hat sich tief eingeprägt. Und dies gilt auch für viele philosophische Fragestellungen: Der Blick auf die Welt ist in vielfacher Hinsicht ein anderer geworden.
Die Belastung als Wissenschaftsastronaut ist enorm.
Der Aufwand in der Vorbereitungszeit war schon groß. Während der Mission haben wir 70 Experimente durchgeführt. Gab es Probleme in unserem Space-Shuttle, haben wir bis zu 18 Stunden am Tag gearbeitet. Aber ich möchte keine Sekunde davon missen.
Vor 50 Jahren betraten Neil Armstrong und Buzz Aldrin als erste Menschen den Mond. Was verbinden Sie heute mit diesem Ereignis?
Ich denke, das Wichtigste war damals die Bereitschaft, sich auf fremde Lebenswelten einzulassen und daraus wissenschaftlich-basierte Fragestellungen sowie Antworten zu entwickeln. Wobei es nicht nur um technologische Innovationen ging. Mit der Mondlandung waren auch uralte Fragen der Menschheit verbunden: Woher kommen wir? Wohin entwickeln wir uns? Natürlich gab die bemannte Raumfahrt zudem vielen wissenschaftlichen Disziplinen - etwa den Ingenieurswissenschaften und der Raumfahrtforschung - einen enormen Schub.
„Zum Mond! Eine wissenschaftlich-literarische Reise“ lautet der Titel einer gemeinsamen Veranstaltung der Leopoldina und des Planetariums in Halle. Der Raumfahrer Ernst Messerschmid und der Essayist Joachim Kalka sprechen darüber, was die Wissenschaft und die Literatur dem Mond verdanken.
Wann: Donnerstag, 28. März, 18 Uhr.
Wo: Vortragssaal der Leopoldina, Jägerberg 1, Halle
Lange Zeit war es still um den Mond. Jetzt aber haben mehrere Länder mit ihren Raumfahrtprogrammen unser Nachbargestirn wieder im Fokus. Gibt es so etwas wie einen Bewusstseinswandel?
Das mag zunächst etwas mit dem Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung zu tun haben. Und vielleicht rufen sich jetzt mehr Menschen in Erinnerung, wie viel wir der Raumfahrt zu verdanken haben, wie sie unser tägliches Leben durchdrungen hat. Wenn wir über die Folgen des Klimawandels reden, geht das nur mit Informationen, die wir mit Hilfe von Satelliten bekommen. Die meisten Messungen zur Veränderung des Meeresspiegels werden aus dem Weltraum gemacht. Das ist anders gar nicht machbar. Denken Sie an Navigation, Kommunikation, Internet der Dinge - das funktioniert nur über den Weltraum global, kostengünstig, Tag und Nacht.
Die Raumfahrt ist und bleibt eine kostspielige Angelegenheit.
In Europa werden pro Jahr circa sechs Milliarden Euro ausgegeben. Die Hälfte ist privates Geld, denn viele Firmen verdienen ihr Geld mit Dienstleistungen durch die Nutzung der Satelliten. Nur zehn Prozent der Mittel kommen der astronautischen Raumfahrt zugute.
Was reizt Wissenschaftler eigentlich noch am Mond? Der scheint doch mittlerweile ein guter Bekannter für die Forscher zu sein?
Da gibt es noch viele Betätigungsfelder. Wir können auf dem Mond noch mehr über den Mond selbst erfahren. Für die Radioastronomie bieten sich auf der erdabgewandten Seite ganz neue Möglichkeiten mehr über das Sonnensystem und das Universum zu erfahren. Aber entscheidend wird sein, den Mond zu nutzen, um von dort aus weiter ins All vordringen zu können.
Wie weit kann es dann noch gehen?
Der Mensch ist an Lebensräume gebunden, in denen die meiste Zeit Wasser in flüssigem Zustand vorhanden ist. Wir können nicht auf dem nächsten inneren Planeten, der Venus, landen, weil es dort zu warm ist. Auf dem Mars aber könnten Menschen mit den dort herrschenden Bedingungen einigermaßen zurechtkommen und für einige Zeit dort leben. Aber wichtiger als die Frage, wohin es die Menschen im All drängt, ist etwas anderes: Gibt es irgendwo eine andere - und sei es nur eine primitive - Form von Leben?
Was antworten Sie?
Würde man unter Experten eine Umfrage machen, wäre wahrscheinlich die Hälfte der Meinung, dass es innerhalb unseres Sonnensystems noch weitere Formen von Leben gibt. Das muss nicht einmal nach unserer DNA organisiert sein. Eine solche Entdeckung würde viele unserer grundlegenden Annahmen infrage stellen.
Wenn die Europäische Weltraumorganisation ESA Sie fragen würden, ob Sie noch einmal für eine Weltraummission zur Verfügung stünden. Wie würden Sie reagieren?
(lacht) Ich wäre sofort dabei -wenn es meine Gesundheit und meine Fitness zulassen. Ich fühle mich immer noch wie ein Fußballspieler, der nicht mehr auf den Platz darf, der nun als Trainer nervös am Spielfeldrand hin- und herläuft und am liebsten mitspielen würde. (mz)