Ärger bei den Wildcats Ärger bei den Wildcats: War der Zeitstrafen-Eklat überhaupt regelkonform?

Halle (Saale) - Ein wenig perplex war Sophie Lütke noch immer. Das, was da gerade geschehen war, das war auch für die routinierte Rückraum-Spielerin neu. Plötzlich hatte sie am Sonntag allein im Mittelkreis gestanden, den Ball in der Hand. Hinter sich nur noch Torhüterin Anica Gudelj. Die anderen fünf Feldspielerinnen saßen mit Strafen auf der Bank. „Ohne Worte. Das habe ich persönlich noch nie gesehen“, sagte Lütke nach Abpfiff.
Diese irre Szene aus der 56. Minute - sie ist der Aufreger, über den auch Tage nach der 26:39-Niederlage der Wildcats gegen die Bad Wildungen Vipers noch diskutiert wird. Sophie Lütke allein gegen sechs? War das überhaupt erlaubt? Wildcats-Trainerin Tanja Logvin hatte sich schon während des Spiels heftig über die Entscheidungen des Schiedsrichter-Gespanns beschwert, ihr Team gar vom Parkett gewunken. „Zwei Spielerinnen dürfen nicht allein auf dem Feld bleiben“, sagte sie nach der Partie. Damit sprach sie das aus, was am Sonntag viele dachten: Das Spiel hätte abgebrochen werden müssen.
Wilcats nach der Strafenflut: Die Smartphones glühten
Das Humpeln war nicht zu übersehen. Nach der Pause lief Wildcats-Linksaußen Ekaterina Fanina unrund - und zeigte trotzdem eine bärenstarke zweite Hälfte, traf fünf Mal. Kurz vor Schluss prallte die 28-Jährige dann mit Maxi Mühlner zusammen und musste endgültig vom Feld. Laut Wildcats hat Fanina sich Schulter und Schläfe geprellt, fällt die Woche über aus. Ob sie gegen Nellingen auflaufen kann, sei noch nicht abzusehen.
Doch dem ist nicht so. „Das war regelkonform. Die Schiedsrichter durften so viele Spielerinnen vom Feld schicken. Das Spiel hätte nicht abgebrochen werden müssen“, klärt Lea Schmidt, Sprecherin der Handball Bundesliga Frauen (HBF), auf. Bei besonderen Umständen wie einem Brand in der Halle könne der Referee eine Partie tatsächlich beenden. Zeitstrafen seien dafür aber kein Grund, da Teams dies sonst taktisch nutzen könnten.
Das weiß man mittlerweile auch bei den Wildcats. Nach dem Spiel habe man sich schlau gemacht, versichert Vereinssprecher Marcel Gohlke. „Die Trainerin hatte eine Fehlinformation“, sagt er. Dass die turbulenten Szenen aus Halle solche Wellen geschlagen haben - in den sozialen Medien wie in der Bundesliga -, das lenke jetzt nur noch vom Sportlichen ab.
Am Sonntagabend, so Gohlke, hätten die Smartphones der Spielerinnen geglüht. In Scharen seien die fragenden Nachrichten von Freunden und ehemaligen Mitspielerinnen eingegangen. Was war da überhaupt passiert in der Erdgas Sportarena? Das wollten sie alle wissen. Verständlicherweise, denn ab der 55. Minute ging es im eigentlich schon entschiedenen Spiel Schlag auf Schlag.
So lief die Zeitstrafe-Flut bei den Wildcats
Zuerst kam Viktoria Divak nach einem Sprint gegen Maxi Mühlner zu spät, brachte die Gegenspielerin von hinten zu Fall - und sah die Rote Karte. Sekunden später musste Mariana Lopes für einen Griff in den Wurfarm von Anna Frankova für zwei Minuten vom Feld, was Logvin auf die Palme brachte. Referee Steven Heine aus Halberstadt verwarnte sie wegen Meckerns. Als Mühlner Wildcats-Linksaußen Ekaterina Fanina wenig später rüde umriss und die Russin verletzt vom Feld musste, beschwerte sich Logvin erneut lautstark.
Die Schiedsrichter verhängten daraufhin eine Zeitstrafe gegen die Bank. Zu dritt liefen die Wildcats in einen Konter, Katarzyna Janiszewska griff Sina Ritter leicht in den Arm - und schon waren es nur noch zwei „Wildkatzen.“ Nun vollends aufgebracht stürmte Logvin aufs Parkett, winkte auch Emilia Galinska und Lütke vom Feld. Heine quittierte das mit der Roten Karte gegen die Trainerin, was eine weitere Zeitstrafe für das Team bedeutete. Und so stand Sophie Lütke nach anderthalb wahnwitzigen Spielminuten allein auf dem Feld.
Verrücktes Spiel mit Pointe
„Das ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen und darf einfach nicht passieren“, sagte die Rückraumspielerin nach Abpfiff zu den Zeitstrafen. Man habe sich da selbst ein wenig verloren in der Schlussphase. Und in den 54 Minuten zuvor zwei Gesichter gezeigt, erneut. Auf die miserable erste Halbzeit der Wildcats war bis zum Strafen-Eklat eine starke zweite gefolgt. „Wir müssen es endlich auf die Platte kriegen, 60 Minuten gut zu spielen“, verlangte Lütke. Dass die 28-Jährige am Ende in vierfacher Unterzahl traf, der Niederlage sogar einen kleinen moralischen Triumph abrang - es war die Pointe dieses verrückten Spiels.
(mz)