Archäologie-Vortrag Archäologie-Vortrag: Männer-Überschuss im Mittelalter
HALLE/MZ. - All diese Ergebnisse leitet die Berliner Biologin Bettina Jungklaus aus einer anthropologischen Untersuchung von mehr als 300 an der Marktkirche geborgenen Skeletten ab. Und das sind nicht die einzigen Erkenntnisse, die die archäologischen Grabungsarbeiten auf dem Marktplatz zwischen 2004 und 2006 zutage brachten.
Friedhof an der Marktkirche
Es war ein hochinteressanter Einblick in das mittelalterliche Halle, den Bettina Jungklaus und der damalige Grabungsleiter Dr. Volker Herrmann am Mittwochabend im Freylinghausen-Saal der Franckeschen Stiftungen gaben. Eingeladen hatte der "Verein für hallische Stadtgeschichte", dessen Mitgliedern Volker Herrmann mit seinen Eröffnungsworten wohl aus der Seele sprach: "Was wir damals gefunden haben, ist heute wieder unter dem Pflaster des Marktes verborgen. Es soll aber nicht in Vergessenheit geraten."
Der alte Friedhof, den Herrmann und seine Helfer rund um die Marktkirche frei legten, war einer der spektakulärsten Funde der Archäologen. "Vom 11. bis ins 16. Jahrhundert wurden dort Tote übereinander bestattet", erklärte der Grabungsleiter. Die gefundenen Gebeine datieren somit aus jener Zeit, als die Kirchen St. Gertrud und St. Marien noch nicht zur heutigen Marktkirche verschmolzen waren. Die meisten Skelette, insgesamt 270, gehörten Verstorbenen, die zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert beigesetzt wurden.
Die Bestimmung von Alter, Geschlecht und Krankheiten der Toten lassen Bettina Jungklaus vermuten, dass es im Halle des späten Mittelalters einen Männerüberschuss gegeben hat. Unter anderem ließen wohl auch die Strapazen von Schwangerschaft und Geburt die Frauen eher sterben.
Auffällig oft festgestellte Frakturen an Oberarmen und Schlüsselbeinen sowie Wirbelabnutzungen führten die Biologin zu der Annahme, dies könne mit der Salzgewinnung in Verbindung stehen. "Die Salzbottiche, die die Arbeiter tragen mussten, wogen bis zu zweieinhalb Zentner", sagte sie.
Älteste Funde aus der Jungsteinzeit
Die Ausführungen von Volker Herrmann gewährten dem Publikum dann auch einen Einblick in die historische Entstehung des Marktplatzes samt seiner baulichen Veränderungen. Die ältesten archäologischen Funde, vornehmlich Scherben und Gefäße, stammen demnach bereits aus der Jungsteinzeit. Die ersten Besiedlungen des Marktes, unter anderem durch Slawen, lassen sich auf die Bronze- und Eisenzeit datieren. "Für die Anfänge des eigentlichen Markttreibens lässt sich kein genaues Jahr festmachen", erklärte Herrmann. Indizien, wie ein freigelegter Brunnen aus dem Jahr 1074, ließen jedoch auf das 11. bis 12. Jahrhundert schließen.
Von alten Gebäuden zeugten schließlich freigelegte Fundamente, unter anderem des alten Kaufhauses, das bereits 1231 die erste Erwähnung durch den damaligen Magdeburger Erzbischof fand. Bei Untersuchungen am Roten Turm stießen die Archäologen hingegen auf ein gewaltig ausgebildetes Fundament, was darauf schließen lasse, das die Erbauer schon damals mit den Auswirkungen des Grundwassers rechneten. Leider habe man nicht feststellen können, ob der Rote Turm tatsächlich auf Eichenpfählen errichtet wurde, wie es die Überlieferung besagt, meinte Volker Herrmann.