Der Basar des Bösen Anschlag Halle Saale: Darknet - Stephan B kaufte hier Waffe

Halle (Saale) - Eine seiner Waffen und Teile einer zweiten hat sich Stephan B. hier besorgt. Der Doppelmörder von Halle bestellte eine SMG 9mm Parabellum-Maschinenpistole nach Bauplänen des britischen Büchsenmachers Philip Luty im sogenannten Darknet. Dabei handelt es sich um einem Teil des weltweiten Datennetzes, der komplett abgeschottet ist vom Rest der Internet-Welt mit ihren Googles und Facebooks, Ebays, Amazons, Twitters und Wikipedias.
Im Darknet zu surfen, ist trotzdem weder verboten noch illegal. Doch man benötigt dazu den Tor-Browser, ein im Auftrag der US-Streitkräfte von einem Forschungslabor der Marine entwickeltes Computerprogramm, das sich von Firefox und Chrome äußerlich kaum unterscheidet. Innerlich hingegen schon, denn Tor beruht auf der Idee des sogenannten Onion-Routing: Wie von den Schalen einer Zwiebel (engl. Onion) wird der Datenverkehr, der über den Browser läuft, hier verborgen und versteckt, umgeleitet und getarnt, bis die Zielseite, die der Nutzer aufrufen möchte, keine Chance mehr hat, zu ermitteln, wer sich da gerade umtut.
Darknet: Anonymität steht im Mittelpunkt
Kombiniert der Nutzer das mit einem Anonymisierungsservice, ist es nahezu unmöglich, herauszufinden, wer auf einem Deepnet-Marktplatz wie Undermarket oder Samsara Waren anbietet, die Verkäufer im richtigen Leben umgehend vor Gericht und für lange Jahre ins Gefängnis bringen würde.
Nicht nur Mietkiller wie die der „18. Street-Gang“ warten hier auf Interessenten, die für 5000 US-Dollar einen „Hitman“ auf die Ex oder den betrügerischen Geschäftspartner ansetzen wollen. Es gibt auch sonst alles zu kaufen, was es in normalen Geschäften nicht gibt. Oder das, was dort angeboten wird, für einen Bruchteil. „Weil wir“, erklärt ein Mitarbeiter des „iPhone-Stores“ bei Undermarket, „unsere Ware mit Hilfe gestohlener Kreditkarten einkaufen.“ Über zahlreiche Umwege werde das Geld gewaschen und auf Geschenkkarten bekannter Online-Kaufhäuser umgeleitet. „Damit kaufen wir dann ein, so dass unsere Käufer keine Angst haben müssen, erwischt zu werden.“ Auch die Herstellergarantie gebe es natürlich, „weltweit und im Rahmen der gesetzlichen Regelungen“.
Das Darknet ist zum teil ein Basar des Bösen
Es ist ein Basar des Bösen, auf dem sich zwar auch legale Angebote wie das der Tageszeitung Taz, von Facebook oder des Online-Newsportals Propublica finden. Doch Darkweb-Suchmaschinen wie Torch und Onion.live, die hier provisorisch die Funktion erfüllen, die Google und Bing im normalen Internet spielen, verweisen doch hauptsächlich auf Angebote, die sich um harte Pornografie, Drogen, Waffen oder den Verkauf von Kreditkartendaten drehen.
Was als „Darknet“ vor allem durch den Film „Silk Road“ bekannt wurde, ist eigentlich nur ein Teil des versteckten Netzes, das 2002 auf der Basis einer sogenannten Peer-to-Peer-Software entstand, die die Rechner der Nutzer ohne Zentralinstanz miteinander verband. Die über das Tor-Netzwerk verbundenen „Hidden Services“ (versteckte Angebote) akzeptieren in der Regel nur Kryptowährungen wie Bitcoin, die ebenso verschlüsselt sind wie die Märkte selbst. Einer aktuellen Studie von Finantio DataLab zufolge machen Drogen 85 Prozent der gehandelten Waren aus, gefolgt von Hacker-Dienstleistungen sowie gestohlenen Kreditkartendaten.
20 Gramm Marihuana gibt es unter kryptischen Adressen wie gdaqpaukrkqwjop6.onion für 39 Dollar, ein Gramm Kokain für 29, 100 Portionen LSD kosten 299 Dollar. Geliefert wird frei Haus, meist bieten die Verkäufer sogar einen Versand als versichertes Paket an. „Sie bekommen von uns eine Tracking-Nummer, so dass Sie den Weg ihrer Ware verfolgen können“, verspricht der Mann von „Deepweb Mystic Box“, einem Laden, der mutmaßlich gestohlene Edel-Elektronik zu Überraschungspaketen zusammenstellt, für die Interessenten 3000 oder 4000 Dollar hinlegen. Kein Wunder, denn der überschlagene Warenwert einer Kiste läge, wäre das Angebot seriös, bei einem Vielfachen.
Darknet: Zahlungsverkehr läuft weitgehend über Bitcoin
Überall finden sich Bewertungen, ganz wie bei gewöhnlichen Online-Shops. Und überall wird per Bitcoin bezahlt, um die Anonymität aller Beteiligten zu wahren. Notwendig scheint das aus Sicht der Betreiber der kriminellen Kaufhäuser, hatte das amerikanische FBI doch zuletzt immer wieder große Anbieter wie den Dreammarket oder Silk Road ins Visier genommen und die Betreiber wegen Drogenhandel, Betrug und Geldwäsche zum Teil für viele Jahre ins Gefängnis gebracht.
Viele Marktplätze scheinen dadurch vorsichtiger geworden zu sein. Um eine Waffe zu kaufen, wie es der Angreifer von Halle getan haben soll, reicht es nicht mehr, einen der großen Marktplätze zu besuchen, die als eine Art Zwischenhändler zwischen Verkäufer und Käufer auftreten. Anbieter von Handfeuerwaffen wie der „Black Market Guns“-Shop verkaufen über eigene Seiten, „weil Waffen auf Marktplätzen nicht gern gesehen sind“, wie ein Mitarbeiter begründet.
Dafür sichere man den Kunden aber weltweite Lieferungen binnen höchstens einer Woche zu. „Viele nutzen ihre normale Heimanschrift, um das Paket zu empfangen“, heißt es. Das sei „sicher und es gab noch nie Probleme damit, dass ein Paket kontrolliert wurde“.
Blick ins Darknet: Was ist echt, was ist fake?
Was ist wahr? Was ist Fälschung? Wann besucht das FBI Käufer, die sich ihre illegale Uzi-Maschinenpistole oder die Heckler&Koch-Pistole bequem nach Hause haben schicken lassen? Niemand weiß es genau, weshalb der Hacker Wooorm auch immer wieder gefragt wird, ob man ihm denn auch wirklich vertrauen könne. Niemals, schreibt er dann, denn gerade im Darknet gelte die Devise, niemandem zu glauben, was er behauptet oder verspricht.
Aber kaufen von ihm könne man, denn das Risiko sei minimal: 49 Dollar verlangt Wooorm für ein Handbuch, das kriminelle Existenzgründer Schritt für Schritt in die Welt des „Carding“ einführt. Dabei geht es um das Klonen von Kreditkarten, das Knacken von Paypal-Konten und die Herstellung von Kreditkartenguthaben durch das Aufbrechen fremder Accounts. Anschließend könne man das Geld dann an jedem Automaten abheben und im Internet oder im Laden damit einkaufen. „Das ist sicher“, verspricht Wooorm.
Auch für Betrüger ist das Darknet ein Paradies
Zumindest für die Verkäufer solcher „Fullz“ genannter Fake-Identitäten. Allein beim MoneyMarket, der Kreditkartenguthaben von 7000 Dollar zum Sparpreis von 299 Dollar anbietet und beim Kauf von 15 000 Dollar 100 Dollar Rabatt gewährt, klingelt die Kasse. Zwei Dutzend Käufer allein im vergangenen Monat haben sich nicht die Frage gestellt, warum die MoneyMarket-Macher das viele Geld nicht selbst abholen, sondern es für einen Bruchteil seines angeblichen Wertes verkaufen.
Antwort geben die sogenannten „Scam“-Foren, in denen sich betrogene Nutzer gegenseitig vor Betrügern warnen. Denn das ist das Darknet auch und vielleicht vor allem: Ein Ort, an dem nicht Drogen, Waffen und gestohlene Identitäten verkauft werden, sondern falsche Versprechen auf den gefahrlosen Rausch, die frei Haus gelieferte Maschinenpistole und den schnellen Reichtum mit kleinem Risiko. (mz)
Zum Tor-Browser: www.torproject.org