Anne Scheschonk Anne Scheschonk : Filmemacherin mit einem Auge für Geschichten

Halle (Saale) - An Themen hat es Anne Scheschonk bisher nie gemangelt. Doch für ihr aktuelles Projekt kam die Geschichte zu ihr. „Willst du nicht mal einen Film über Polly machen?“, wurde sie von einer Bekannten gefragt. Auf ein knappes „Wieso?“ folgte: „Erinnerst du dich nicht?“ - der Beginn einer dokumentarischen Reise.
„Ich hatte das ehrlich gesagt total vergessen“, sagt die 39-Jährige. Dass, als die Beiden vor Jahren beinahe zeitgleich Mütter geworden waren, jede einen Jungen bekommen hatte. „Wir leben in verschiedenen Bundesländern und hatten länger keinen Kontakt gehabt“, sagt Scheschonk. Statt eines Sohnes hatte ihre Bekannte jetzt eine Tochter, Polly, die als Mädchen lebt und fühlt, obwohl sie im Körper eines Jungen geboren wurde.
Die Filmemacherin begleitete die damals Siebenjährige über ein Jahr lang für „Mädchenseele“ durch ihren Alltag. Einen Alltag, in dem Polly, deren Name für die Öffentlichkeit verfremdet wurde, Kleider und Zopf statt Jeans und Kurzhaarfrisur trägt, in dem sie sich für Tanzaufführungen vorbereitet oder zur Schule geht. Die Dokumentation zeigt aber auch Unsicherheiten, Kämpfe und schwierige, steinige Wege. „Trotzdem ist es kein schwerer Film und auch kein Erklärstück“, sagt Scheschonk.
Am Rand der Gesellschaft
Sie ist immer dort, wo es knifflig wird. „Ich interessiere mich für Menschen, die als anders und am Rand der Gesellschaft wahrgenommen werden. Dabei sind sie eigentlich mittendrin“.
Aus ihrer Heimat Haldensleben kam Scheschonk zum Studium nach Halle, erst Musikwissenschaft und Medienwissenschaft, später auch Ethnologie. Während eines Studentenjob bei einer halleschen Produktionsfirma hatte sie schnell ihre Liebe zum Filmemachen entdeckt. Vor fünf Jahren nahm sie an der Professional Media Master Class für Dokumentarfilm (PMMC) der Werkleitz Gesellschaft teil und spätestens seitdem war klar: Ich bleibe dabei - das ist es, was ich machen will.
Seit 2014 arbeitet sie freischaffend, unter anderem auch für den MDR. „Ich bin immer wieder überrascht, wie nah ich die Leute begleiten darf, wie sehr sie mich in ihr Leben hereinlassen“, sagt Anne Scheschonk über die Personen hinter ihren Geschichten.
Intensive Beziehung
Zu Pollys Mutter hat sie eine intensive Beziehung aufgebaut. Dass die Dreharbeiten für Scheschonks Herzensprojekt finanziell gestemmt werden konnten, hat sie auch der Internetplattform Vision Bakery zu verdanken. Dort geben Nutzer Geld für verschiedene Projekte. Knapp 10.000 Euro konnten so gesammelt werden, mehr als die eigentlich angegebene Zielsumme. „Eigentlich war schon klar, dass das Geld nicht komplett genügen würde“, sagt die Filmemacherin: „Es war ein schmaler Grat zwischen dem, was gebraucht wird und der Befürchtung, zu viel zu verlangen.“ Denn nur Projekte, deren Zielsumme tatsächlich erreicht werden, erhalten letztendlich die Unterstützung.
Für die Postproduktion, in der es unter anderem um Fragen wie Tonmischung, Farbkorrektur und Musikrechte geht, ist die Filmemacherin deshalb gerade auf der Suche nach Unterstützern. Die ersten Anfragen, den Film auf kleinen Festivals zu zeigen, gibt es schon.
Wenn sich Scheschonk nicht mit der Arbeit beschäftigt, zieht es sie in Wald und Wiesen, vor allem dieser Tage: „Ich freue mich auf den Sommer und die Ferien.“ Mit ihrem achtjährigen Sohn Ruben möchte sie sich dieses Jahr beim Windsurfing am Süßen See ausprobieren. „Wir sind sonne- und wassersüchtig,“ sagt sie. Auch ihr nächstes Projekt soll etwas mit Wasser zu tun haben: „Die Geschichte habe ich schon im Kopf.“ (mz)
Weitere Informationen unter annescheschonk.com