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"Alte Marck" "Alte Marck": Spuren von Schleuser-Netzwerk führt zu Sachsen-Anhalts Reichsbürger-Szene

Von Alexander Schierholz 08.05.2018, 18:11
Screenshot des Internetauftritts der Samtgemeinde „Alte Marck“.
Screenshot des Internetauftritts der Samtgemeinde „Alte Marck“. MZ

Halle (Saale) - Ein „Heimathschein (Passbild benötigt)“ kostet „2,00 Mark (16,00 Euro) vorzugsweise 1 Unze Silber“. Beglaubigungen sind billiger zu haben, für „0,65 Pf. (5,- Euro) vorzugsweise 10 Gramm Silber“. So nachzulesen in der „vorübergehenden Gebührenordnung“ der „Samtgemeinde Alte Marck“ in „Arendsee, Bundesstaat KgR. Preußen“. Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz zählt die selbsternannte Kommune in der Altmark zur Reichsbürger-Szene, genauer zu den sogenannten Selbstverwaltern, die mit der Bundesrepublik nichts mehr zu tun haben wollen.

So weit, so bizarr. Doch nun gehen die Behörden noch einer anderen Frage nach: Spielen die Selbstverwalter aus der Altmark eine Rolle in einem großangelegten Schleuser-Netzwerk? Ein solches haben Ermittler am Dienstag in Norddeutschland ausgehoben. 800 Bundespolizisten hatten seit Montagabend 21 Wohnungen und Büros in Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt durchsucht.

Gefälschte rumänische Pässe bei illegalen Migranten gefunden

Drei Hauptverdächtige, zwei Deutsche und ein Russe, 30, 39 und 43 Jahre alt, wurden vorläufig festgenommen. Sie sollen vorwiegend moldauische Staatsbürger nach Deutschland geschleust und illegal beschäftigt haben. In Hamburger und Bremer Wohnungen stieß die Polizei auf mehr als 40 illegale Migranten; die meisten von ihnen hatten gefälschte rumänische Pässe.

In Sachsen-Anhalt durchsuchten die Ermittler unter anderem Wohn- und Firmenräume einer Frau in Arendsee (Altmark). „Wir gehen davon aus, dass sie die Buchhaltung für eine Sicherheitsfirma in Hamburg erledigt hat, bei der Migranten illegal beschäftigt worden sein sollen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei der MZ. Nach einem Bericht von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ handelt es sich um die Vorsteherin der „Samtgemeinde Alte Marck“. Die Firma und die selbsternannte Kommune weisen ein und dieselbe Adresse in Arendsee auf. Für Nachfragen war die Frau am Dienstag nicht erreichbar.

Der Polizeisprecher bestätigte, die Frau habe „eine aktive Rolle in der örtlichen Reichsbürger-Szene“, nannte aber keine Details. Ob es weitere Verbindungen zu dem Schleuser-Netzwerk gebe, sei noch offen. „Wir wissen nicht, ob zum Beispiel irgendwelche Gelder in die Szene geflossen sind.“ Das müssten die Ermittlungen ergeben. Die Frau werde aber derzeit als Zeugin geführt, nicht als Beschuldigte.

Pseudo-Verwaltungsstruktur „Samtgemeinde Alte Marck“

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ist die „Samtgemeinde Alte Marck“ seit Ende 2015 aktiv. In ihrem Internetauftritt bezeichnet sich sich als „Gebietskörperschaft und Weltanschauungsgemeinschaft“. Die selbsternannte Kommune stellt nicht nur Schein-Dokumente wie den „Heimathschein“ aus, eine Art Personalausweis, sie hat zumindest zeitweise auch ein „Amtsblatt“ herausgegeben, unterhält ein „Haupt Postamt“ und ein „Zentralmeldeamt“. Eine Pseudo-Verwaltungsstruktur, die in der Szene offenbar Eindruck macht: Laut Verfassungsschutz war ein Vertreter der „Alten Marck“ im vorigen Jahr zu einem Vortrag nach Bayern eingeladen. Für das „Intensivseminar mit Einführung und Praxisanleitung“ wurde er angekündigt als „Mann der Tat“, der „praxisnah neue Erkenntnisse der Rechtslage“ vermittele.

Geht es noch bizarrer? Es geht: Auf ihrer Internetseite distanziert sich die „Samtgemeinde“ von der Reichsbürger-Bewegung. (mz)