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"6.000 Bons im Monat" "6.000 Bons im Monat": Bonpflicht - So sehr nervt Hallenser Händler die Zettelflut

Von Denny Kleindienst 15.01.2020, 05:00
Fast alle Kassenzettel wirft Karola Neubauer später in den Müll. Die Kunden von Bäcker Neubauer wollen die Bons nicht haben.
Fast alle Kassenzettel wirft Karola Neubauer später in den Müll. Die Kunden von Bäcker Neubauer wollen die Bons nicht haben. Silvio Kison

Halle (Saale) - Die kleinen weißen Bons sind auf einem Nagel neben der Kasse aufgespießt. Zur Mittagszeit ist schon ein guter Haufen zusammengekommen. Nach beinahe jedem Einkauf, der am Stand des Hühnerhofs Steuden auf dem halleschen Markt über den Tresen geht, kommt ein weiterer Zettel auf den Spieß. Denn so gut wie kein Kunde nehme den Kassenbon mit, erzählt die Verkäuferin.

Bei Hallenser Metzgerei ist Bonpflicht kein Thema

Seit diesem Jahr gilt die sogenannte Belegausgabepflicht. Händler sind nun verpflichtet, ihren Kunden einen Bon auszudrucken. Auch wenn die meisten Hallenser offenbar auf den Einkaufsbon verzichten können. Wirklich niemand wolle den Bon haben, verrät die Mitarbeiterin von Bäcker Lampe in der Großen Steinstraße. Schräg gegenüber bei der Metzgerei Barner tritt dann doch der seltene Fall ein.

Eine Seniorin lässt sich den Ausdruck geben. „Das ist die alte Generation“, sagt die Verkäuferin. Schon vor zwei Jahren hat die Metzgerei sich ein neues Kassensystem anschaffen müssen. Und Bons haben sie eigentlich schon immer gedruckt, so die Verkäuferin. Das Thema Bonpflicht ist für sie daher kein Aufreger.

Viele Verkäufer in Halle nervt die Zettelflut jedoch

Viele Händler in der halleschen Innenstadt sind dagegen genervt. Vom gestiegenen Verbrauch der speziellen Thermorollen, die der vorgeschriebene Ausdruck jedes einzelnen Kassenzettels mit sich bringt. Davon, jeden Kunden fragen zu müssen, um dann von den meisten doch nur zu hören, dass der Bon nicht gebraucht wird. Die Verkäuferin am Marktstand des Hühnerhofes erklärt, sie habe am Tag mehrere hundert Kunden.

Wenn eine Schlange vor ihr steht, „muss es schnell gehen. Ich habe genug zu tun.“ Karola Neubauer von der Bäckerei Neubauer in der Adam-Kuckhoff-Straße legt die Bons in eine extra aufgestellte Schüssel. Vor der Bonpflicht, sagt sie, habe jeder einen Kassenzettel bekommen, der einen wollte.

Bonpflicht: Bargeschäfte sollen transparenter werden und Steuerbetrug verhindern

Ein bis zwei Kunden am Tag seien das gewesen. „Jetzt wird jeder ausgedruckt. Das ist eine Kostenfrage.“ Im Falle ihrer Filiale überschlägt sie: Circa 300 Bons pro Tag, mal fünf, mal vier Wochen. „Sind 6.000 Bons im Monat.“ 6.000 Bons, die fast kein Kunde will.

Aber: Die Bonpflicht wurde aus einem Grund eingeführt. Das Bundesfinanzministerium will damit Bargeschäfte transparenter machen und Steuerbetrug verhindern. Allerdings konnten elektronische Kassen auch vorher schon von den Finanzämtern ausgelesen werden. Als „doppelt gemoppelt“ empfindet daher Eugen Kanitz von der Hofmolkerei Bennewitz, die ebenfalls einen Marktstand in Halle betreibt, die Vorschrift.

„Das neue Sicherungsverfahren endet mit der Belegausgabe“

Und für eine Belastung für die Umwelt. Wieso also müssen Bons gedruckt werden? Vom Landesfinanzministerium heißt es auf MZ-Nachfrage: „Praktisch war es in vielen Kassensystemen relativ einfach möglich, Daten vor der Übernahme in die Buchführung spurlos zu ändern oder zu löschen. Bei Überprüfungen der Finanzverwaltung wurden auch Programme gefunden, die solche Manipulationen nach Wunsch automatisch vornahmen.“

Seit 1. Januar müssen alle Kassensysteme ein Sicherheitsmodul besitzen, das unerkannte nachträgliche Veränderungen verhindert. „Das neue Sicherungsverfahren“, heißt es vom Ministerium, „endet mit der Belegausgabe.“ Anhand der Angaben auf dem Beleg könnten Prüfer des Finanzamtes jederzeit kontrollieren, ob der Umsatz richtig in der gesicherten Kasse erfasst wurde.

Halles Händler: „Ich fühle mich unter Generalverdacht gestellt.“ 

Für die hallesche Blumenhändlerin Anja Jermis-Lorenz ist auch das kein guter Grund. „Ich fühle mich unter Generalverdacht gestellt.“ Der Staat unterstelle dem Mittelstand zu betrügen. So sieht sie das.

Für die Handwerkskammer Halle ist das Thema auch noch nicht vom Tisch. Ihr Präsident Thomas Keindorf erklärt: „Das Handwerk gibt den Widerstand noch nicht auf, um eine sinnvolle und nachhaltige Lösung hinzubekommen.“ (mz)