30 Jahre Zentralpoliklinik 30 Jahre Zentralpoliklinik: West-Gerät mit Sekt begossen
Halle/MZ. - Als Dr. Barbara Benndorf im Juli 1974 in die gerade eröffnete Neustädter Zentralpoliklinik "Robert Koch" zog, war das ihre erste Stelle als junge Fachärztin. Die Allgemeinmedizinerin hat seitdem all die Jahre in dem Haus in der Albert-Einstein-Straße Patienten behandelt. "Einige kommen seit 30 Jahren zu mir", erzählt die 61-Jährige, der es auch nach der Wende nie in den Sinn gekommen ist, an anderer Stelle eine Praxis aufzumachen, wie sie sagt. Es herrsche nach wie vor eine gute Atmosphäre im Haus, das seit 1992 Gesundheitszentrum heißt.
Die Eröffnung der Zentralpoliklinik fiel in die Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen von Halle-Neustadt. "Am 15. Juli 1974 wurde der Schlüssel übergeben, am 16. Juli kamen die ersten Patienten", erzählt Sabine Hasselberg, Geschäftsführerin der Verwaltungs-GmbH des Gesundheitszentrums. Es gab etwa 50 ärztliche Arbeitsplätze und über 200 Schwestern. 1990 waren in dem Haus dann rund 400 Mitarbeiter beschäftigt, einschließlich Fuhrpark, Wäscherei und Küche. Mehr als 1 000 Patienten wurden täglich behandelt, fast ausschließlich Neustädter.
Wie Sabine Hasselberg weiter erzählt, hatten zu DDR-Zeiten die Ambulatorien in den Wohnvierteln die Aufgabe, die Grundversorgung abzusichern: "Dort arbeiteten Hausärzte, Zahn-, Kinder- und Frauenärzte. Alle anderen Fachmediziner saßen in der Zentralpoliklinik." Die Patienten erhielten durch einen Bereitschaftsdienst rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen, Hilfe.
Die Ökonomin kann sich noch gut daran erinnern, als die Einrichtung im Jahr 1988 ein Ultraschallgerät erhielt. "Wir haben vor Freude mit Sekt angestoßen, worüber sich die Mechaniker der westdeutschen Firma, die das Gerät anschlossen, wunderten - sie konnten wohl nicht annähernd verstehen, was das für uns bedeutete. Zumal wir in der Region die ersten im ambulanten Bereich waren, die solch ein Gerät hatten." Nicht erfreulich sei dagegen gewesen, dass im Alltag permanent Dinge wie Pflaster oder Scheren fehlten.
Nach der Wende blieben die meisten Ärzte in eigener Niederlassung als Mieter in dem Haus, das bis 1999 der Stadt gehörte. Vor ein paar Jahren kaufte es die Frankonia. "Darüber sind wir nicht sehr glücklich", so Sabine Hasselberg, "weil die Frankonia nichts sanieren lässt." Die Stadt hatte wenigstens die Nordseite mit dem Eingang in Ordnung bringen lassen.
Heute praktizieren 21 niedergelassene Fach-, sechs Haus- und zwei Zahnärzte unter einem Dach. Ergänzt wird die Versorgung durch medizinische und artverwandte Dienstleistungen wie beispielsweise Labore, Pflegedienst, Hörgeräte-Fachgeschäft sowie Physiotherapie und Apotheke. Diese Rundumversorgung wird von den Patienten immer noch gern genutzt.
Die Idee einer Poliklinik sei also längst nicht überholt, wie nach der Wende angenommen wurde, erläutert Sabine Hasselberg. Die Hausärztin Dr. Barbara Benndorf jedenfalls arbeitet gern in dem Gesundheitszentrum, es sei für die Patienten ideal durch kurze Wege, und die Zusammenarbeit mit den Kollegen funktioniere gut, wie sie sagt. Der einzige, der in der Gemeinschaft noch fehle, sei ein Kardiologe. Aber da muss die Verwaltungs-Chefin bremsen: "Das 7 000-Quadratmeter-Haus mit seinen vier Etagen ist bis auf den letzten Zentimeter ausgebucht."