Wolfsangriff in Dübener Heide Wolfsangriff in Dübener Heide: Tornau wappnet sich

Tornau - Ein herkömmlicher Weidezaun konnte die Eindringlinge in Tornau nicht zurückhalten. In der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag gruben sich Raubtiere einen Weg auf die Weide und rissen insgesamt zwölf Schafe. Mutmaßlich handle es sich dabei um einen Wolfsangriff, glaubt Ortsbürgermeister und Naturpark-Ranger Udo Reiss: „Das kann nur ein Wolf gewesen sein. Ich meine, welches Tier sollte sonst zu so etwas fähig sein?“
Eine DNA-Analyse des Wolfskompetenzzentrums in Iden dauert einige Wochen. So lange wollten Udo Reiss und Axel Mitzka vom Naturparkverein nicht warten. Denn: Wäre es wirklich ein Wolfsangriff gewesen, könnte Isegrim wiederkommen und weitere Tiere reißen. Aus diesem Grund informierte Reiss alle im Dorf ansässigen Schäfer und stellte je nach Bedarf Elektrozäune zur Verfügung.
Diese sollen als Schutzmaßnahme der Weidetiere vor Angriffen dienen. „Die Leute müssen sich darauf einstellen, dass es hier in der Dübener Heide wieder Wölfe gibt. Und da reicht ein normaler Zaun nicht mehr aus“, erklärt der Ranger. Auch wenn dies der erste Wolfsangriff in Tornau gewesen sei.
Wider Wolf und Biber
Zur Verfügung stellt diese Zäune der Naturpark Dübener Heide. Dort hat man eine Art Wolfs- und Biber-Bedarfslager. Darin sind unter anderem die benannten Zäune verstaut, erzählt Axel Mitzka, Vorsitzender des Heidevereins, der die Trägerschaft des Naturparks Dübener Heide innehat. „Die meisten professionellen Schäfer haben bereits Vorkehrungen getroffen. Aber viele Menschen in der Region halten hobbymäßig Tiere“, sagt er weiter.
Und denen gelte es nun, schnell zu helfen. Obwohl die filigranen Netze meist nur 90 bis 120 Zentimeter hoch sind, halten sie den Wolf und andere Tiere zurück, weiß Udo Reiss: „Der Wolf springt in der Regel nicht. Auch wenn die Tiere versuchen, sich unter dem Zaun durchzubuddeln, werden sie damit in Berührung kommen und einen Stromschlag bekommen.“ Dann würden sie das Interesse an den Weidetieren verlieren - so die Theorie. Seitdem am vergangenen Freitag knapp 1000 Meter Elektrozaun bei sechs Hobbyschäfern in Tornau und Reuden gezogen wurde, gab es keinen Angriff mehr.
Obwohl sich die Wölfe gegenüber Menschen eher scheu verhalten, haben viele Einwohner Tornaus Angst vor dem Raubtier, berichtet Reiss. Einige lassen ihre Kinder nicht mehr in den Wald zum Spielen - fürchten teils selbst, Opfer eines Angriffes zu werden. „Wenn ein Wolf einen Menschen riecht, ist er ganz schnell verschwunden.“ Dennoch kann der Ranger den Bürgern die Angst nicht nehmen. Hundertprozentig ausschließen könne man auch einen Angriff schließlich nicht. „Das sind wilde Tiere“, sagt er.
Aber Reiss kann über den Wolf informieren. Denn der Umgang mit dem Tier sei immer noch etwas Neues, das erst erlernt werden müsse. Auf der einen Seite gebe es diejenigen, die in Isegrim nur eine Bedrohung sehen. Auf der anderen Seite diejenigen, die dem Raubtier mit verklärter Begeisterung begegneten. Beides sei zu schwarz und weiß, meint der Ortsteilbürgermeister. Er selbst sehe das Thema lieber in einer Art Grauzone. Die Debatte werde aber dermaßen emotional geführt, dass es für viele nur Wolfsgegner und Wolfsfreunde gebe.
„Wer schützt uns?“
In Tornau hatte jemand Tage vor dem jüngsten Vorfall ein Plakat aufgehängt. „Wer schützt uns vor dem Wolf?“, stand darauf geschrieben. „So etwas heizt die Diskussion nur unnötig an“, findet Reiss und hofft, bei Diskussionsrunden mit den Tornauern mehr Verständnis zwischen den beiden Lagern aufbauen zu können. Er will außerdem bei der Beantragung von Fördermitteln für Schutzzäune helfen.
Langfristig müsse man sich überlegen, wie viel Wildnis in der Region gewünscht sei, findet Naturparkleiter Thomas Klepel. Das betreffe nicht nur den Wolf, sondern auch den Biber. Die 70000 Einwohner der Dübener Heide sollten in einen Austausch darüber treten, wie sie sich die Region im Jahr 2030 vorstellen - Weide- und Kleintierhaltung würde mit einer größeren Wolfspopulation irgendwann zu einem Ding der Unmöglichkeit. Axel Mitzka vom Heideverein fügt hinzu: „Wir können nicht alles einzäunen.“
In einem Punkt sind sich alle Beteiligten einig: Wenn das Vergrämen des Wolfes nicht mehr ausreiche, brauche es die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht. „Wir brauchen mehrere Werkzeuge im Umgang mit dem Wolf. Bislang haben wir nur die Zäune“, sagt Gräfenhainichens Bürgermeister Enrico Schilling (CDU). Und der Abschuss bleibe die Ultima Ratio, müsse aber dennoch möglich werden.
(mz)