Wirtschaftsstammtisch Wirtschaftsstammtisch: Ein Prinz wird Grünkohlkönig

Gräfenhainichen - Matthias Dönicke kann auf eine einmalige Gräfenhainichener Bilderbuchkarriere verweisen: Karnevalsprinz, Schützenkönig und nun Grünkohlkönig! Mehr geht in der Heidestadt wirklich nicht. „Das muss man(n) alles mal gemacht haben. Aber es ist auch schön, wenn man das Amt wieder abgeben kann“, sagt der 55-Jährige, den in Gräfenhainichen praktisch jeder kennt.
Er ist seit ewigen Zeiten Tankwart aus Leidenschaft, arbeitete schon zu DDR-Zeiten an der Zapfsäule des Familienunternehmens, für das schon damals Service und Freundlichkeit keine Fremdwörter waren.
Nach der politischen Wende steigt er mit überzeugenden Wahlergebnissen in die Kommunalpolitik ein, engagiert sich für die Positionen des kleinen Mannes. Inzwischen ist es um seine Person etwas ruhiger geworden. „Man muss ja auch mal arbeiten“, begründet er. Sein politischer Rückzug fällt in die Zeit, das sagt er freilich nicht, als er sein privates Glück findet.
Nun aber steht er wieder im Rampenlicht: als Majestät und Gemüseexperte. Und so hagelt es für den aktuellen Grünkohlkönig offensichtlich Einladungen - so zum Beispiel zum Wirtschaftsstammtisch der CDU/CSU Mittelstandsvereinigung (Mit).
„Dass ich der Referent des Abends bin, habe ich aus der MZ erfahren. Besten Dank dafür“, beginnt der Redner wider Willen - „Mir wurde versichert, dass andere dafür zuständig sind“ - seinen launigen Vortrag.
Dönicke präsentiert seine umfangreichen Recherchen aus dem Internet. So erfahren die Besucher, das Grünkohl früher als Allheilmittel galt und dass Altkanzler Helmut Kohl (CDU) 1984 ein Grünkohlkönig war. Dönicke hat viele Lacher auf seiner Seite.
Er steigt quasi in die Bütt, als er Geschichten vom Anbau des Gourmet-Gemüse zum Besten gibt. Dabei landen die Bauern - ob im Sozialismus oder Kapitalismus - im Gefängnis und müssen als Strafe Erbsensuppe essen. Der König lässt als Pointe seines Referats Grünkohl mit Lachs servieren.
„Echt lecker“, kommentiert der frisch gekürte Mit-Chef Harald Kremer. Das Wort weltmeisterlich macht die Runde. Und das Thema ist in der Heide ein brisantes. In den Medien wird die niedersächsische Universitätsstadt Oldenburg als Grünkohl-Hauptstadt Deutschlands bezeichnet.
So etwas wurmt. Der Grund ist ein einzigartiges Event. Mitte Januar erlebt die Grünkohl-Weltmeisterschaft im Norden ihre Premiere. Christoph Steinhauser aus Hamburg gewinnt den Titel mit einem Grünkohl-Graupenrisotto mit geräuchertem Aal sowie Grünkohl-Chips mit Speck-Salz. Der zweitplatzierte Claus Peter aus Wingst bei Cuxhaven präsentierte Ente mit Grünkohl.
Die Gräfenhainichener haben mit den Organisatoren des Spektakels Kontakt aufgenommen. Sie wollen offensichtlich künftig kräftig mitmischen. Eine Antwort steht aber noch aus. Ob es eine zweite Auflage geben wird, steht noch nicht fest.
Es ist alles - wie fast immer - eine Frage des Sponsors. Trotzdem erklärt Dönicke schon mal vorab auf MZ-Anfrage, er werde nicht in den Ring steigen und stattdessen die Aufgabe im Fall des Falles delegieren - „an den Koch im Schacht Barbara“.
Möglicherweise eine völlig richtige Entscheidung. Die aktuellen WM-Medaillengewinner sind alles Profi-Köche.
Es fallen an diesem Tag am Wirtschaftsstammtisch aber auch deutliche politische Worte in Richtung Berlin. „Der Mittelstand ist der Verlierer der letzten Legislaturperiode“, zieht Klaus-Dieter Weber aus Thale sein persönliche Fazit.
Eine „verlässliche Politik“ brauchen die Unternehmer, fordert er. Der Mit-Landeschef und Arbeitgeberpräsident Sachsen-Anhalts befürchtet im aktuellen Bundestagswahlkampf das Verteilen von „sozialen Wohltaten“.
„Mindestlohn - wer bietet mehr?“ lautet nach Webers Meinung der Wettbewerb. Der Mann aus dem Harz will da mehr differenzieren. Nach Auffassung der Mit sollte der Mindestlohn gestaffelt werden - nach Bundesländern und auch nach Branchen. (mz)