"Vollbart" in Zschornewitz "Vollbart" in Zschornewitz: Der Bart ist ab

Zschornewitz - Martin Hofmann schwimmt nicht mit dem Strom. Er zieht sein Ding durch. In Zschornewitz machte er vor vier Jahren das „Vollbart“ auf. Eine Kneipe, Raucherbar und Wohlfühloase für alle, die es locker und flockig lieben. Nun aber ist der Bart sprichwörtlich ab. Das „Vollbart“ macht die Schotten dicht.
Die Nachricht kommt überraschend. Denn Hofmann hatte noch vor Monaten in den sozialen Netzwerken vom großen Wurf geschrieben. Der gelernte Goldschmied, leidenschaftliche Musiker, bekennende Bart- und Tattooträger wollte wachsen. Er kaufte das Nachbargrundstück seiner Kneipe. Alles ein Stück größer, mit Spielhallencharakter.
Aber alles wie bisher auf unkomplizierte Art: Das war sein Traum.
„Vorbei. Geschichte“, sagt Hofmann und lässt einer weiteren Botschaft auf Facebook auch in Echt die Nachricht folgen, dass am Dienstag, dem 13. März, der Bart ab ist. Im „Vollbart“ kann bis dahin gefeiert werden. „Macht noch ein wenig Party, trinkt ein paar Bierchen, nehmt ein Stück Vollbart mit. Muss eh alles raus.“
Martin Hofmann startet musikalisch durch. Der Zschornewitzer ist neuer Sänger der Dessauer „Herren“ und tritt dort die Nachfolge von Hubert Kah an. Die Ikone der Neuen Deutschen Welle war letztes Jahr zur Band gestoßen und hatte das Album „Neue Deutsche Herrlichkeit“ eingesungen. Im Januar kam das überraschende Ende. Die Suche nach einem Sänger führte die „Herren“ nach Zschornewitz. Hofmann konnte die Dessauer um Henry Henze und Thilo Reinhardt überzeugen. Ab sofort steht er am Mikro und zelebriert Neue Deutsche Härte.
Martin Hofmann nimmt sich selbst in die Verantwortung, spricht von persönlicher Misswirtschaft. Das Genick haben ihm allerdings Vorschriften gebrochen, wie er erklärt. Das „Gesetz zur Regelung des Rechts in Spielhallen im Land Sachsen-Anhalt“ nämlich kommt zur Anwendung, wenn Projekte wie das des ortsverlagerten und größeren „Vollbart“ angegangen werden.
Leumund, Steuerkraft, persönliche Eignung: Alles ist nicht das Problem. In Zschornewitz kam der Schlips an anderer Stelle ins Rad. Laut Gesetz muss eine Spielhalle einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zu Einrichtungen haben, „die ihrer Art nach oder tatsächlich ausschließlich oder überwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden“.
Hofmann und dem neuen „Vollbart“ fehlten ganze 20 Meter zum Platanenhof, in dem Jugendliche im betreuten Wohnen untergebracht sind und der Zschornewitzer Jugendclub Angebote vorhält.
„Ich kenne den Sachverhalt nicht genau. Aber die Vorschriften gelten für alle“, sagt Gräfenhainichens Bürgermeister Enrico Schilling (CDU) auf Nachfrage. Über Details müsse er sich informieren. Für das „Vollbart“ bringt das allerdings nichts mehr. „Wir sind durch und haben das Glück, dass wir den Grundstückskauf rückabwickeln konnten“, erklärt Martin Hofmann gegenüber der MZ.
Da er gleichzeitig keine Verlängerung des Pachtvertrags für das bisherige Objekt bekommt – nach seiner Aussage haben die Verpächter vor, das Haus zu veräußern – muss er wohl oder übel die Segel streichen. „Schade, ich hätte gern weitergemacht. Und die Stadt hätte durch die neue Spielhalle zusätzliche Einnahmen aus der Vergnügungssteuer bekommen.“
Hans-Peter Lieck ist Kunde im „Vollbart“ und mahnt Fingerspitzengefühl an. „Es ist nicht leicht mit den Ämtern. Das haben wir auch durch. Manchmal scheint es, dass dir immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.“
Lieck hat selbst einen langen Marsch durch die Instanzen hinter sich. Er konnte sich mit Gleichgesinnten am Ende allerdings einen großen Traum verwirklichen. Die Outdoor-Rennstrecke des R.C. Modellbau-Arena ist mittlerweile ein Mekka für Hobby-Rennfahrer.
Martin Hofmann fällt nicht ins Bodenlose. Das Ende vom „Vollbart“ wurmt ihn. „Das Leben geht aber weiter.“ Der Zschornewitzer hat den musikalischen Ritterschlag bekommen. Er ist der neue Sänger der Dessauer Band „Herren“ und dort Nachfolger der NDW-Ikone Hubert Kah. Einen Zusammenhang zwischen Kneipenschließung und der Musik gebe es aber nicht, betont er.
(mz)