Tank-Tradition in Gräfenhainichen Tank-Tradition in Gräfenhainichen: Seit über 90 Jahren an der Zapfsäule

Gräfenhainichen - Seit drei Generationen versorgt die Familie Dönicke die Autofahrer in und um Gräfenhainichen mit Sprit. Der jüngste Spross der traditionsreichen Tankstellenbetreiber, Matthias Dönicke feiert in dieser Woche 25-jähriges Dienstjubiläum. Und geändert hat sich einiges, seit sein Großvater, Otto Dönicke, 1928 seine Shell-Tankstelle in Gräfenhainichen eröffnet hat, erzählt der 56-jährige Enkel.
„Damals gab es noch zwölf Tankstellen für die eintausend Bewohner der Stadt. Außerdem verkauften Apotheken noch zusätzlich Sprit“, erzählt Matthias Dönicke in seiner HEM-Tankstelle in Gräfenhainichen. Heutzutage gibt es noch drei Tankstellen - für eine deutlich gewachsene Stadt.
Befreiung vom Geschäft
Dönickes Vorfahr verdiente sich damals noch ein Zubrot mit einem Fuhrpark und einer Werkstatt. Die drei Busse und sechs Limousinen, ebenso wie die Tankstelle, überstanden den Zweiten Weltkrieg unbeschadet, allerdings den Einmarsch der sowjetischen Truppen nicht. Die beschlagnahmten die Autos und Busse. Es blieb noch das Tankstellengeschäft.
„Mein Großvater hat damals gesagt: Sie haben mich befreit. Und zwar von allem, was ich hatte“, sagt der Enkel. Aus der Shell-Tankstelle wurde dann ab 1954 erst eine Filiale der Deutschen Handelszentrale Kraftstoffe und dann die spätere Minol. Ende der 1960er Jahre übernahm Dönickes Vater Werner das Geschäft.
Schwierige Selbständigkeit
„Zu DDR-Zeiten war es für uns als selbstständige Tankstellenbetreiber nicht leicht“, erinnert sich Dönicke. Der Sozialismus hatte bekanntermaßen ein schwieriges Verhältnis zur beruflichen Selbstständigkeit. Also sei fast nichts unversucht gelassen worden, um ihnen das Leben schwer zu machen.
„Meine Schwester durfte nicht mit auf Klassenfahrten und die Stasi ging auf Betriebe in der Gegend zu und legte ihnen ein Schreiben auf den Tisch, nach dem sie nicht mehr bei uns, sondern bei der staatlich geführten Minol-Tankstelle tanken sollten“, sagt er weiter.
Das habe allerdings meist wenig genutzt: Wegen der anhaltenden Benzin-Knappheit sei der Sprit dort immer schnell leer gewesen, sodass die Kunden trotzdem zu ihnen gekommen seien.
Er selbst sei schon immer an der Tankstelle unterwegs gewesen, schon als Kindergartenkind. „Wenn so ein kleiner Sabbel an der Zapfsäule stand und die Autos betankt, dann gab das immer gut Trinkgeld“, lacht Dönicke. Das habe ihm stets ein einträgliches Taschengeld beschert.
Handy statt Tankwart
Mit der Wende kamen die großen Umwälzungen. Dönicke, der erst eine Tischlerlehre absolviert hatte und inzwischen mit seinem Vater an der Tankstelle arbeitete, erinnert sich noch gut auf den Kundenansturm, als sich mit dem größeren Angebot im Shop auch die Zeitschriftenregale füllten.
TV-Zeitschriften, Magazine - und die zuvor in der DDR nur unter dem Ladentisch gehandelten Erotik-Blättchen gingen weg wie geschnitten Brot. Besser als das Benzin selbst. Dafür wurde der Service an den Zapfsäulen gestrichen, mit dem Dönicke als Kind einst noch sein Taschengeld verdient hatte.
„Heute haben wir ein System an den Zapfsäulen, bei dem sich direkt mit dem Handy bezahlen lässt. Der Kunde muss also gar nicht mehr in den Shop“, sagt Dönicke. Noch gibt es keine Schnellladestationen für E-Autos, auch wenn HEM die bereits im Spreewald teste.
Hier gebe es noch zu wenige Abnehmer dafür, glaubt er. Viele Kunden kämen aber trotz des Kasse-freien-Bezahlens in den Shop. Für einen Snack, ein Eis oder einfach einen Schwatz mit dem Tankwart.
„Ich hoffe auch, dass das so bleiben wird“, meint der 56-Jährige. Zumindest, bis er irgendwann aufhört. Denn eine vierte Generation der Dönickes an der Tankstelle sei unwahrscheinlich. „Meine Kinder gehen eigene Wege.“ (mz)