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Rätselhafter Kunstdiebstahl Kunstdiebstahl: Zschornewitzer Nymphen geben Rätsel - führt neue Spur nach Österreich?

Von Michael Hübner 21.07.2017, 04:00

Zschornewitz - Martina Schön (SPD) gibt es freimütig zu: „Wir sind happy!“ Was die Bürgermeisterin so glücklich macht, ist die große mediale Aufmerksamkeit, die die Zschornewitzer Nymphen erhalten. Postum, sozusagen.

Denn der „Drei-Mädchen-Brunnen“ - so nennt der Berliner Bildhauer Walter Schott Anfang des 20. Jahrhunderts sein Kunstwerk - ist im Februar 1996 über Nacht vor dem Altenheim spurlos verschwunden: eine 50 Kilogramm schwere Bronzeskulptur. Der MDR dreht am Mittwoch am Tatort und im Kreisarchiv für die TV-Sendung „Kripo live“. In dem Beitrag wird wohl auch das Zeitungsfoto von Charlotte Mehlhorn gezeigt.

Sie bemerkt die Entführung der Nymphen - korrekter: den professionellen Diebstahl - zuerst und meldet den Verlust des Kunstschatzes. Die inzwischen verstorbene Zschornewitzerin, die als Friedensfahrt-Omi im Ort wegen ihrer Nähe zum Radrennen Kultstatus hat, begibt sich von der Polizei enttäuscht mit dem Rad auf die Suche und steckt den ganzen Ort an. Und die Detektive präsentieren auch einen Verdächtigen: Joschka Fischer.

Der damalige Außenminister ist der Gastgeber für ein Gartenfest und mittendrin tanzen die Nymphen. Doch es sind nicht die Zschornewitzer. In der Hauptstadt ist die Skulptur größer. Bis zu diesem Zeitpunkt gehen die Hobbyermittler davon aus, dass sie ein Unikat suchen. Und so ist die Euphorie in diesem Jahr nicht ganz so groß, als Schön bei einer Internetauktion wieder auf die vermeintlich verschollenen Mädchens stößt. Inzwischen liegt der Fall beim Landeskriminalamt. Zwar ist der Diebstahl bereits verjährt, die Hehlerei wäre es aber nicht. Doch es sind wieder fremde Nymphen.

„Es gibt acht dieser Brunnen“, sagt Claudia Marwede-Dengg. Sie ist bei der Mosse Art Research Initiative Spezialistin für die Nymphen. Die Spuren führen bis zum Central-Park New York. „Von all den Brunnen ist der Zschornewitzer derjenige, über den wir so gut wie nichts wissen“, räumt die promovierte Kunsthistorikerin ein. Auch in einem Fachbeitrag im Jahrbuch des Landesarchivs Berlin von 2002 werden keine weiteren Details genannt.

Walter Schott schuf die gestohlenen Zschornewitzer Nymphen

Nicht nur das Verschwinden, sondern auch die Herkunft der Nymphen ist rätselhaft. Sie sollen ein Geschenk von Walther Rathenau sein. Doch der Politiker, der mit dem Kraftwerk eng verbunden ist, wird 1922 ermordet. Die tanzenden Mädchen verzaubern Zschornewitz am Ledigenwohnheim aber erst seit 1937. Die Jahreszahl ist verdächtig. „Raubkunst“, vermutet das Kunsthistorische Institut Berlin und zieht Parallelen zur Burg Schlitz bei Teterow (Mecklenburg-Vorpommern). „Beide wurden erst zu DDR-Zeiten als Nymphenbrunnen bezeichnet“, heißt es.

Professor Jan Hegemann ist davon überzeugt, das der Brunnen von Burg Schlitz der jüdischen Verlegerfamilie Mosse gehörte. Deren Kunstsammlung wird von den Nationalsozialisten zerschlagen. Der Jurist vertritt die Mosse-Nachfahren. Er ist von Raubkunst überzeugt. „Schott hat die Brunnen in unterschiedlichen Größen angefertigt und immer kleine Details verändert“, sagt er der MZ. Mosse hat den Brunnen bei Schott in Auftrag gegeben. Der Bildhauer sorgt für Aufsehen, weil Zeitungen vermuten, dass eine amerikanische Tänzerin für die Inspiration sorgt. Die Künstlerin feiert in Berlin Erfolge, weil sie wenig bekleidet das Publikum unterhält.

„Drei-Mädchen-Brunnen“ steht unvollständig im Park

Schott dementiert. Laut seinen Memoiren handelt es sich um „drei Geschwister: Reizende Mädels standen an einem Sonnentag als Nackedeis Modell“. Mosse ist vom Werk begeistert und zahlt deutlich mehr als vereinbart. Das kann ein Grund dafür sein, dass Schott sieben Jahre verschweigt, dass er weitere tanzende Mädchen anfertigt. Unklar ist auch, wie das Erstlingswerk in die Hände von Ufa-Vorstand Emil Georg von Stauß gelangt. „Eine NS-Größe“, sagt Hagemann. Stauß ist 1935 der Besitzer von Burg Schlitz.

Im Park steht der Brunnen, der noch heute zu den Attraktionen gehört. Hier hat sich manches Paar ewige Liebe geschworen. Ein Gästeführer erzählt an der Stelle gern die Geschichte der Nymphen. Der Mann erwähnt dabei auch den dreisten Diebstahl. Passend dazu zeigt er die letzten Fotos der Zschornewitzer Nymphen. Die werden im Thünen-Museum Tellow (Teterow) präsentiert.

Aber vielleicht tauchen die Nymphen wieder auf - möglicherweise in Österreich. „Dort wurde jetzt ein neunter Brunnen entdeckt. Er ist aber noch nicht verifiziert“, sagt Marwede-Dengg. Eine neue heiße Spur? Diese Frage hat bisher noch niemand gestellt. (mz)

Heidemarie Emersleben (li.) und Martina Schön mit Nymphen-Unterlagen.
Heidemarie Emersleben (li.) und Martina Schön mit Nymphen-Unterlagen.
Thomas Klitzsch