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Industriekultur Gespräch über Zschornewitz und das Kraftwerk

Mit dem Ort Zschornewitz, seiner Verbindung zum Kraftwerk und seiner Zukunft hat sich das Forum Rathenau in der Gesprächsreihe „C4“ beschäftigt.

Von Julius Jasper Topp 02.12.2021, 10:08
Das einst größte Braunkohlekraftwerk der Welt prägte Zschornewitz und Umgebung über Jahrzehnte.
Das einst größte Braunkohlekraftwerk der Welt prägte Zschornewitz und Umgebung über Jahrzehnte. Screenshot: Imagefilm Forum Rathenau

Gräfenhainichen/MZ - Die DNA des Ortes Zschornewitz bleibt untrennbar mit dem ehemaligen Braunkohle-Kraftwerk verbunden. Das ist eines der Themen gewesen, die zum Auftakt der Gesprächsreihe des „Carbon Cycle Culture Club“ - kurz C4 - des Forums Rathenau in der vergangenen Woche besprochen worden sind. Der Vorstandsvorsitzende Ralf Wehrspohn, Physikprofessor der Universität Halle-Wittenberg, sprach mit Ortsbürgermeisterin und Vorstandskollegin Martina Schön, deren Biografie ebenfalls mit dem 1918 in Betrieb gegangenem Kraftwerk verknüpft ist.

Beim Aufbau ab 1915 war der Industrielle und spätere Reichsaußenminister Walther Rathenau gemeinsam mit den Ingenieuren einem heute selbstverständlichen Prinzip gefolgt: Strom lässt sich besser transportieren als Kohle.

Strom vor Ort

Also wurden die gigantischen Anlagen dort errichtet, wo die Kohle auch herkam: aus den Tagebaugebieten Golpa. Den Strom selbst verbrauchte dann nicht nur SKW, sondern auch die Hauptstadt, die damals ihre goldenen 20er Jahre durchlebte und einen großen Hunger nach immer mehr Energie entwickelte.

Die Kraftwerksingenieurin Martina Schön war 1975 in den Gräfenhainichener Ortsteil gekommen. Sie lebte, nachdem sie nach Zschornewitz gezogen war, immer in Seh- und Hörweite des Kraftwerks, sagt sie bei dem im Internet übertragenen Gesprächsformat. „Die Asche spürt man heute noch, wenn man Gartenarbeit macht“, sagt sie. Sie arbeitete in der Zeit nach der Wende als Betriebsratsvorsitzende und erlebte das Ende des Kraftwerks Zschornewitz hautnah. „Es war traurig zu sehen, wie die Arbeiter ihre eigene Arbeit abgewickelt haben“, so die Ortsbürgermeisterin. „Es war eine ganz große Gefahr, dass mit der Stilllegung des Kraftwerkes auch der Ort stillgelegt wird.“

Aber Zschornewitz habe diesen Schock inzwischen gut überstanden. Das sehe man auch an der zur Expo 2000 sanierten Werkssiedlung und daran, dass der Ortsteil seine Einwohnerzahlen stabil halten könne, gute Schulen und lebendiges Vereinsleben biete. „Wer heute durch Zschornewitz fährt, wird sich kaum vorstellen können, wie das im Jahre 1989 war“, sagt sie. „Wir haben aus unserem Zschornewitz eine ganze Menge gemacht. Darauf sind wir stolz“, sagt sie sichtlich gerührt.

Eine wichtige Nachricht für die Kraftwerkssenioren, die seit Jahren darauf hoffen, ihre ehemalige Wirkungsstätte wieder betreten zu können, hat Professor Wehrspohn auch noch: „Wir haben von der Leag als Forum Rathenau den Schlüssel für diese Veranstaltung bekommen“, sagt er. Die Freude sei groß gewesen, dass dieser Ort wieder gemeinsam betreten werden könne - und das wolle man auch künftig tun. „Wir wollen ja lebendige Industriekultur als Verein gestalten“, so Wehrspohn.

Ortsbürgermeisterin Martina Schön und Ralf Wehrspohn in der Auftaktveranstaltung der Gesprächsreihe C4
Ortsbürgermeisterin Martina Schön und Ralf Wehrspohn in der Auftaktveranstaltung der Gesprächsreihe C4
Foto: Screenshot / Forum Rathenau

Das Forum Rathenau habe indes große Pläne für das Kraftwerk. So sollen etwa Co-Working-Spaces - also Arbeitsplätze - eingerichtet werden, wo nicht nur gemeinsame Veranstaltungen, sondern auch eigene Ideen umgesetzt werden sollen. Perspektivisch hoffe man darauf, die alte Bahn vom Kraftwerk nach Ferropolis wiederzubeleben und so eine direkte Verbindung zwischen der Stadt aus Eisen und der zukünftigen Stadt des Kohlenstoffs einzurichten.

Großes Thema: Kohlenstoff

Neben dem Blick in die Vergangenheit will sich das Forum Rathenau aber auch dem Blick in das Morgen und das Übermorgen widmen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie Kohlenstoffkreisläufe ökologisch gestaltet werden können. Die Expertenrunde im Gesprächsformat C4 widmete sich also unter anderem der Frage, ob es „grünen“ Kohlenstoff geben kann und wie sich Kreisläufe besser schließen lassen können.

Das C4-Format soll jetzt an jedem vierten Donnerstag im Monat stattfinden. Weitere Informationen können Interessierte im Internet unter www.forum-rathenau.de abrufen. (mz)