Sprung ins Standesamt Enrico Schilling: Gräfenhainichener Bürgermeister schmiedet am Eheglück

Gräfenhainichen - Enrico Schilling (CDU) ist verärgert. „Ich habe Redeverbot erteilt“, bestätigt auf MZ-Anfrage der Bürgermeister, der seine privaten Pläne geheim halten will. Das Gräfenhainichener Stadtoberhaupt schmiedet am Eheglück - allerdings nicht an seinem eigenen. Der Mann bleibt Single, aber kein bekennender. „Es gibt im Leben Dinge“, wird der 37-Jährige philosophisch, „die kann man nicht erzwingen, noch nicht mal mit einem Stadtratsbeschluss.“
Und trotzdem wagt der Mann den Sprung ins Standesamt. Der Verwaltungschef will Trauungen - wenn es gewünscht wird - künftig persönlich vornehmen. „Es gibt solche Anfragen“, sagt Schilling, der bis Freitag in Hessen eine Ausbildung zum Standesbeamten absolviert. „Das ist sehr anspruchsvoll, sehr komplex“, sagt er und büffelt trotz der Hitze. Doch das alles wollte er der Öffentlichkeit erst verraten, wenn er die Abschlussprüfung mit Erfolg gemeistert hat, erklärt er Stunden vor der Entscheidung.
Geschafft: 78 von 90 Punkten
Die erste Hürde - eine Zwischenprüfung - hat er problemlos genommen und bleibt im Rennen. 24 von 30 möglichen Punkten stehen zu Buche. Am Donnerstagabend ist dann ein Mann happy: Geschafft! Bei der Abschlussprüfung werden 78 von 90 möglichen Punkten gezählt. Kein anderer Bürgermeister hat in seinem Kurs mehr zu bieten. Schilling ist allerdings auch der einzige. Die Kombination von Stadtoberhaupt und Standesbeamtem sei in den alten Bundesländern keine Seltenheit. Aber auch die mussten zuvor eine Schulbank drücken. Bürgermeister dürfen genauso wenig wie Kapitäne auf See Trauungen vornehmen, räumt Schilling mit einem Traumschiff-Klischee auf.
Allerdings gebe es Staaten, die den Chefs auf ihren Vergnügungsdampfern Eheschließungen erlauben. „Ob die aber in Deutschland rechtsgültig sind, ist eine andere Frage“, so der Experte, der künftig - von der Geburt bis zur Bahre: Formulare, Formulare - alles beurkunden darf. Trotzdem muss die aktuelle Standesbeamtin nicht um den Job fürchten. „Ich werde der Co-Chef“, sagt der erste Mann des Rathauses. Und die personelle Konstellation ist eine ganz besondere: Bürgermeister Schilling darf dem Standesbeamten Schilling keine Weisungen erteilen. „Und meine Entscheidungen im Standesamt kann noch nicht mal der Stadtrat kippen“, frohlockt der Kommunalpolitiker. Mögliche Fehler könne nur ein Gericht korrigieren.
Faible für das Glück anderer
Das Faible des 37-Jährigen für das Glück der anderen fällt schon Ende 2015 auf. Unbekannte Täter aus der rechten Szene, die seit Monaten in der Heidestadt ihr Unwesen treiben, kippen in einer Nacht Mist mit politischen Botschaften vor dem Rathaus ab. Wenige Stunden später - am Wochenende - will sich hier ein Paar das Jawort geben. Schilling setzt noch in der Nacht Himmel und Hölle in Bewegung, damit der schönste Tag im Leben zweier Menschen nicht durch die kriminelle Energie einzelner beeinträchtigt wird.
Am Ende des Tages sind das Paar und der Bürgermeister glücklich. Doch jetzt will Schilling nicht mehr die Fäden im Hintergrund ziehen. Noch in diesem Jahr möchte er die erste Trauungszeremonie selbst leiten. „Dazu müssen aber noch Formalitäten beim Landkreis erledigt werden“, so Schilling, der sich vorstellen kann, auch in der Außenstelle, der Schaltwarte in Ferropolis Menschen ins Glück zu führen. Dieser Ort wurde 2015 allerdings nur von einem Paar ausgewählt. (mz/hü)