Mobbingopfer aus Helbra stellt eigenen Comic vor Mobbingopfer aus Helbra stellt eigenen Comic vor: Nah am Selbstmord

Eisleben - „So etwas wie dich sollte man lebenslänglich einsperren.“ „Am besten du bringst dich um.“ Als Mathias Hoppe (32) aus seinem Manga (Comic) „3/11“ liest, stockt den Zuhörern in der Eisleber Stadtbibliothek am Mittwochnachmittag der Atem, andere schütteln schockiert den Kopf. Sie wissen, was der junge Mann vorträgt, entspringt keiner Fiktion, es ist die bittere Wahrheit, die bittere Wahrheit, die er als Jugendlicher erfahren musste. In den Zeichnungen und Texten versucht er, dieses Martyrium aufzuarbeiten.
Jahrelanges Mobbing
Über Jahre wurde Hoppe von seinen Mitschülern gemobbt, war ihren Beleidigungen und Hänseleien hilflos ausgeliefert, weil er andere Interessen hatte und nicht mit dem Strom schwamm. An einem 3. November - deshalb auch der Titel „3/11“ für den Manga - brach Hoppe schließlich körperlich und psychisch zusammen. Langwierige psychiatrische Behandlungen und letztlich ein Schulwechsel waren das, was folgte.
Die seelischen Verletzungen und die Wut sitzen tief. Auch heute - 18 Jahre später - kann Hoppe das Erlebte nicht vergessen. Und das, obwohl der Helbraer inzwischen seinen Platz im Leben und sein privates Glück gefunden hat.
Im Publikum sitzen Besucher, die ähnliche Erfahrungen haben. Da wird über Mitschüler berichtet, die ihren Klassenkameraden immer wieder mit dem Kopf in den Papierkorb stecken - fast täglich, ein ganzes Jahr lang - und die ihn unter Androhung von Prügel zwingen, seine Jeanshose zu zerschneiden, was er dann aus Angst auch tat.
In einer 2007 vom Zentrum für empirische pädagogische Forschung der Universität Koblenz-Landau durchgeführten Online-Befragung, an der 1 997 Schüler aller Klassenstufen teilnahmen, äußerten 54,3 Prozent, dass sie von direktem Mobbing betroffen seien.
19,9 Prozent fühlten sich von Cyber-Mobbing (Internet-Mobbing) betroffen. Direktes Mobbing kommt häufiger in den unteren Klassenstufen vor, während in den höheren Klassenstufen der Anteil des Cyber-Mobbing ansteigt.
Sowohl bei direktem Mobbing als auch bei Cyber-Mobbing sind Jungen häufiger Opfer als Mädchen, ergab diese Umfrage außerdem
Die Betroffenheit zur Veranstaltung in der Bücherei ist groß, ebenso die Anerkennung für Hoppe, weil er so offen und schonungslos über seinen Leidensweg spricht. Hoppe schaut jedoch nicht nur zurück. Er macht Mut und gibt Hoffnung, dass es möglich ist, als Mobbingopfer Freunde und Selbstbewusstsein zu gewinnen. Und nennt sich selbst als Beispiel.
Psychoterror im Verborgenen
Der junge Mann verschweigt nicht, dass es bis dahin ein langer Weg ist: „Als Mobbingopfer zweifelt man zunächst an sich selbst.“ Denn oft würden Lehrer bei Problemen unter Mitschülern beschwichtigen und gut gemeinte Ratschläge geben. Auch Eltern würden mitunter erst sehr spät bemerken, dass ihr Kind Opfer von Pöbeleien sei. Das Problem sei, dass Mobbing lange unentdeckt bleibe und verharmlost werde, weil der Psychoterror im Verborgenen stattfinde. Eine Entschuldigung könne dies jedoch nicht sein, so Hoppe: „Wegschauen ist mitmachen.“
Die Frage aus dem Publikum, ob die Täter, die ihm das Leben zur Hölle gemacht haben, zur Rechenschaft gezogen wurden, verneinte er. Eine Tätertherapie sei fast unmöglich. Es seien die Opfer, die sich in Therapie begeben.
Die Bände 1 bis 6 des Mangas „3/11“ können in der Eisleber Stadtbibliothek ausgeliehen werden. (mz)