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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Vor dem Kältetod gerettet

Von BURKHARD ZEMLIN 03.12.2010, 17:14

HELBRA/MZ. - Eigentlich hat Renate Bösel die Lebensrettungsmedaille verdient, denn wenn die MZ-Zustellerin nicht gewesen wäre, hätte das vor ein paar Tagen für eine betagte Helbraerin schlimme Folgen gehabt. Diese lag nämlich in aller Herrgottsfrühe hilflos am Straßenrand und hätte sich bei eisiger Kälte den Tod holen können. Doch zum Glück war Renate Bösel zur Stelle und hat geholfen und die Schwestern eines nahe Altenheims informiert, die dort nach dem Verschwinden der Frau schon in heller Aufregung waren.

Ende gut, alles gut. Die Heimbewohnerin ist wohlauf. Grund genug, Renate Bösel mit dem Blumenstrauß der Woche zu überraschen. Diese empfand ihren Einsatz als Selbstverständlichkeit und ist sicher, dass jeder andere an ihrer Stelle genauso gehandelt hätte.

Allerdings bekannte sie, im ersten Moment gedacht zu haben, dass da ein Mann auf der Straße liegt, womöglich noch ein Betrunkener. Das war jedenfalls ihr erster Gedanke. Erst beim Nähertreten erkannte sie, dass es sich um eine Frau handelt, die nicht wieder auf die Beine kam.

Renate Bösel hat bei ihren Zustelltouren zu nachtschlafener Zeit schon so einiges erlebt. Das Stärkste war, als Jugendliche, die wohl von einer nächtlichen Disko kamen, sie anhielten und von ihr Geld verlangten. Die Zustellerin reagierte geistesgegenwärtig. "Ihr glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass ich früh um 4 Uhr Geld bei mir habe!", gab sie den Jugendlichen Bescheid.

Renate Bösel ist nicht auf den Mund gefallen, sie hat das Herz, wie man so sagt, auf dem rechten Fleck. Sie ist gern Zustellerin, obwohl sie lieber voll arbeiten würde. Aber das war der gelernten Bürokauffrau seit der Wende trotz aller Bemühungen nicht mehr vergönnt.

Dabei hat sie alle Möglichkeiten zur Weiterbildung genutzt, hat ständig gearbeitet. Aber immer nur in Minijobs. Überall, wo sie war, bekam sie Anerkennung und gute Worte. Nur nicht die Möglichkeit, auf Dauer das zu zeigen, was sie kann. Wenn sie da heute ihre Situation mit der von früher in der DDR vergleicht, kommt sie zu dem Schluss: "Mir ist es als Frau früher besser gegangen. Ich wollte voll arbeiten und habe das mit zwei Kindern auch gekonnt. Als es dann nach dem Babyjahr hieß, dass mein Arbeitsplatz besetzt ist, bin ich zur Gewerkschaft gegangen und bekam dort Hilfe."

So eine Hilfe wäre auch heute gar nicht schlecht, meint sie. Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf und schreibt weiter Bewerbungen. Schließlich gehört sie mit 50 Jahren zu dem Jahrgang, der erst mit 67 in die Rente gehen kann. Doch sie denkt nicht an Rente, bis dahin ist es noch lange hin. Sie hat noch viel Energie, möchte sich einbringen. Nein, aufgeben wird sie nicht.