Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: OB Kupfernagel geht nach 14 Jahren
SANGERHAUSEN/MZ. - "Guten Tag, Chef". "Hallo Herr Kupfernagel." "Alles Gute Herr Oberbürgermeister." Wenn Dieter Kupfernagel (Die Linke) in Sangerhausen unterwegs ist, wird er meistens nett begrüßt. Das gefällt dem Oberbürgermeister. In wenigen Tagen ist Dieter Kupfernagel das nicht mehr. Und er weiß nicht, ob ihn die Leute dann immer noch so offenherzig ansprechen werden. Er ist dann ja Privatperson. Rentner. Und nicht mehr der Oberbürgermeister von Sangerhausen. Er weiß auch nicht, wie ihm genau dieses Rentnerleben bekommt. Und wie er es verkraftet, dass er dann eben nicht mehr einen Termin nach dem anderen hat und in der Öffentlichkeit steht. Spannende Zeiten kommen da auf den 64-Jährigen zu.
Am Tittisee auf Klassenfahrt ereilte Dieter Kupfernagel dereinst die Frage, ob er in Sangerhausen Oberbürgermeister werden wolle. Er wollte. Nicht gleich. Aber es dann wenigstens versuchen. Für seine Partei, die damals noch PDS hieß. Und für sich. Kupfernagel war damals knapp über die 50. Lehrer. Und das sehr gern.
Oberbürgermeister einer Kreisstadt zu werden - das stand ganz und gar nicht in seinem Lebensplan. Aber einer, der gern schreibt, schreibt auch gern seinen Lebensplan um. Er tat es vor 14 Jahren. Mit einem für viele und auch für ihn überraschenden Wahlergebnis: Er landete nicht nur in der Stichwahl, sondern auch auf dem OB-Sessel. "Es erzählt sich heute so einfach. Die Entscheidung war es damals aber nicht", erinnert er sich an Diskussionen und Abwägungen in Partei, Familienrat und Freundeskreis. "Ich hatte schon die Befürchtung, dass man mich als PDS-Bürgermeister schneiden würde. Aber ich kann 14 Jahre später sagen: Das ist nie passiert. Nicht aufgrund meiner Parteizugehörigkeit." Kupfernagel stand nach seiner Wahl 1996 lange im Fokus der Öffentlichkeit. Bundesweit. Ein linker Oberbürgermeister - das hatte in manchen Sichtweisen auch etwas Exotisches. Ganz gelegt hat sich dieses öffentliche Interesse die ganzen Jahre nicht. "Gar nicht mal zum Nachteil für unsere Stadt. Man kannte mich schnell. Das habe ich manchmal auch zum Vorteil meiner Stadt nutzen können."
Seine Stadt. Die hat sich verändert in diesen 14 Jahren. Kupfernagel könnte immer wieder durch die Stadt fahren oder gehen, er würde nicht alles auf Anhieb entdecken, was er als Stadtchef an Veränderungen mit auf die Beine gestellt hat. Und er möchte das so auch gar nicht. Er spricht zuerst von der Wirtschaft. Mit diesem Thema kann man nicht zwangsläufig Lorbeeren ernten. Konnte auch Kupfernagel nicht. "Eine Stadt kann keine Arbeitsplätze schaffen. Nur die bestmöglichen Bedingungen dafür. Ich habe darum - auch mit dem Stadtrat zusammen - immer gekämpft." Da gab es die Erfolge und die Niederschläge. Firmen wie die Feag haben sich etabliert und weiterentwickelt. "Ich freue mich, dass Sangerhausen immer noch Fahrradstadt ist." Und es wurmt ihn immer noch, dass es keine Motorräder von American Eagle made in Sangerhausen gibt. Dabei schien die Sache 2002 so glasklar. Und dann platzte der Traum.
Und noch einer. Das war wenige Monate nach Kupfernagels Amtsantritt. "Als in der Maschinenfabrik eine Versteigerung stattfinden sollte und die Belegschaft das Werk besetzte, habe ich erstmals den Spagat zwischen dem Mensch Dieter Kupfernagel und dem Oberbürgermeister üben müssen. Das geht mir heute noch unter die Haut. Ich habe die Mafa-Leute nur zu gut verstanden und konnte ihnen für den Moment so gar nicht helfen."
Anderswo war das möglich. "Wir standen vor der Entscheidung, Mitarbeiter in unseren Kindereinrichtungen zu entlassen oder ihre Stunden zu minimieren. In diesen Gesprächen gab es sehr viele emotionale Momente." Heute sei er immer noch sehr glücklich darüber, dass nicht entlassen wurde, auch wenn das durchaus für alle Mitarbeiterinnen mit deutlichen Konsequenzen - vor allem finanzieller Art - verbunden war.
Ein dickes Fell dichtet sich Kupfernagel nicht an. Aber es ist gewachsen, hat jedoch auch dünne Stellen. Einige sogar. Sie treten beispielsweise zutage, wenn von der Fußgängerzone in Sangerhausen die Rede ist. "Ich wollte sie. Und ich habe sie nicht hinbekommen." Kupfernagel klingt da inzwischen ganz versöhnlich: Jetzt mit der Ringöffnung habe sich das alles sehr entspannt und er sei nun doch zufrieden.
Zufrieden. War er manchmal, wenn einfach das Telefon nicht dauernd geklingelt hat. Kupfernagel telefoniert nämlich alles andere als gern. "Ich schaue den Leuten im Gespräch lieber in die Augen."
Ansonsten ist "zufrieden" so ein Begriff, der etwas Endgültiges ausdrückt. Endgültig Schluss als Oberbürgermeister wird bald sein. Aber was dann kommt, das ist offen.
"Ich kann und möchte mich auch nicht festlegen, was genau ich als Rentner tue." Er habe zum Beispiel viele Anfragen, was Vereinsmitgliedschaften angeht. All die Leute hat er vertröstet. Das hat er in den letzten 14 Jahren nie getan. Jetzt darf er es. Der Dieter Kupfernagel aus Sangerhausen. Ehemann, Vater, Großvater, Hausmann, Buchautor, Hobbysänger, Kreistagsmitglied und bald Oberbürgermeister a.D.