Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Ein Trabant bleibt auch nach dem Aufpolieren ein Trabant
EISLEBEN/HETTSTEDT. - Der hallesche Wirtschaftswissenschaftler Gunter Steinmann hat vor einiger Zeit prophezeit, dass sich der ländliche Raum in Sachsen-Anhalt "entleeren" wird. Auch die Grundstücke würden nichts mehr wert sein, sagte er und nannte dabei ausdrücklich das Mansfelder Land. Das löste natürlich Unmut aus. Unser Redakteur Wolfram Bahn sprach über den Wert und die Zukunft der eigenen vier Wände in unserem Landkreis mit Klaus-Peter Gregors, Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken aus Eisleben und berufenes Mitglied im Regionalen Gutachterausschuss.
Sie als Immobilienmakler und Sachverständiger befassen sich fast täglich mit Immobiliengeschäfte im Mansfelder Land. Sind die Grundstücke in unserer Region nur noch einen "Appel und ein Ei" wert?
Gregors: Natürlich sind sie nicht wertlos. Diese Aussage sollte wohl auch eher etwas provozieren. Fest steht allerdings, dass sich der Grundstücksmarkt im Mansfelder Land auf einem niedrigen Niveau stabilisiert hat. Das heißt, die Preise sind gefallen, aber sie fallen auch nicht weiter und ich denke, wir werden auch keine weiteren Preisverfälle hinnehmen müssen.
Was macht Sie da so sicher?
Gregors: Das ist die Entwicklung auf dem Markt. Die Nachfrage nach erschwinglichen Einfamilienhäusern mit Grundstücksgrößen um die 500 Quadratmeter ist nach wie vor da. Das betrifft insbesondere Häuser, die schon teilweise rekonstruiert sind, die also ein neues Dach und neue Fenster haben und auch über einen moderne Heizung verfügen. Dafür kann man Preise zwischen 40 000 und 70 0000 Euro erzielen. In guten Lagen und Bauausführungen gehen manche auch für 130 000 Euro und mehr weg, während andere nur 15 000 Euro einbringen.
Worin liegen diese gravierenden Unterschiede begründet?
Gregors: Ausstattung und Alter einer Immobilie spielen dabei natürlich eine wichtige Rolle. Entscheidend ist aber meist die Lage. Dort, wo die Infrastruktur nicht mehr stimmt, verliert ein Grundstück an Attraktivität. Es kommt also darauf an, ob der Ort, in dem ich ein Haus kaufen oder auch neu bauen will, verkehrstechnisch gut erschlossen ist, wie oft ein Bus fährt, ob es Kindergarten und Schule gibt oder welche Einkaufsmöglichkeiten vorhanden sind. Die Spritpreise werden in Zukunft ein riesiger Kostenfaktor sein. Weit abgelegene Dörfer wie beispielsweise Dederstedt, Popperode oder Augsdorf zählen da zu den Verlierern auf dem Grundstücksmarkt.
Aber viele Leute haben doch oft mit selbst angepackt und ihr Häuschen verschönert. Ist das denn alles für die Katz gewesen?
Gregors: So bedauerlich es klingt, aber gerade die Häuser, die oft älter als 20 Jahre sind und die mit viel Aufwand in Schuss gehalten wurden, werden bei einem Verkauf nicht die Preise erzielen, um diese Aufwendungen wieder herauszuholen. Das ist ein bisschen wie mit dem Trabant. Die meisten haben viel Mühe und auch Geld aufgewendet, um ihn aufzuwerten. Da wurden andere Sitze und möglicherweise Standheizungen eingebaut oder die Karosserie völlig neu lackiert. Dennoch blieb der Trabant nur ein Trabant.
Also waren unterm Strich doch alle Mühen für umsonst?
Gregors: Bei Immobilien, die - sagen wir mal - nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen, muss man wohl oder übel zum Teil massive Wertverluste hinnehmen.
Die DDR-Mentalität, viele Eigenleistungen zu erbringen, erschwert also den Verkauf eines Grundstückes?
Gregors: In gewissen Sinne stimmt das. Der Grundstücksmarkt auf dem Mansfelder Land wird fast nur von solchen Bestandsimmobilien bestimmt, die vor 1990 erbaut wurden. Und so wie es damals wegen der Wohnungsknappheit eben Usus war, wurde oft noch angebaut für die Kinder oder gar die Enkel. Dadurch haben wir heute in diesen Häusern enorme Wohnflächen, die keiner mehr bezahlen will, wenn das Haus verkauft werden soll, weil alle inzwischen ausgezogen oder verstorben sind.
Warum sind eigentlich nach der Wende kaum Neubaugebiete im Mansfelder Land entstanden?
Gregors: Während um die Stadt Halle im Saalkreis ein regelrechter Speckgürtel wuchs, sind wir von dieser Entwicklung bis auf wenige Ausnahmen so wie Lüttchendorf nahezu vollkommen abgeriegelt gewesen. Das lag an den Investoren, die lange Zeit an unserer Region vorbeigefahren sind.
Und was war der Grund dafür?
Gregors: Das Mansfelder Land war nicht attraktiv genug für den Eigenheimbau. Nach 1990 brach der Bergbau zusammen, es herrschte hohe Arbeitslosigkeit. Investoren brauchen junge Leute mit gutem Einkommen. Bei uns gab es dagegen eher Bergbaurentner. Dazu kam die Entfernung zur früheren Bezirksstadt Halle, die viele potentielle Häuslebauer abschreckte, sich hier anzusiedeln.
Der Bevölkerungsschwund in früheren Kreisstädten Eisleben und Hettstedt hält an. Die Verantwortlichen reagieren teilweise mit Stadtumbauprogrammen. Haben diese Städte eine Zukunftschance?
Gregors: Ich denke schon, dass sich die beiden Städte über kurz oder lang stabilisieren werden. Es wird genügend Bürger geben, deren Auskommen ausreicht, um die Mieten zu bezahlen, aber auch, um Handel und Dienstleistungen in einer vernünftigen Struktur, nicht zuletzt im kulturellen Bereich, am Leben zu erhalten.
Und was wird aus den Dörfern?
Gregors: Auf der Strecke werden vor allem abgelegen Orte bleiben, deren Infrastruktur infolge der Abwanderung der Menschen eines Tages nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, weil viele die steigenden Kosten für Wasser, Abwasser oder Grundsteuern nicht mehr tragen können. Schon jetzt warnen Experten und Politiker vor einer Verteuerung der Versorgungsleistungen, weil die Fixkosten von immer weniger Menschen bezahlt werden müssen. Auch die Benzinpreise werden steigen, was sich auf die Mobilität der Leute auswirken wird. Schon jetzt verzeichnen wir auch im Mansfelder Land einen Trend hin zur Stadt.
Gibt es dafür Indikatoren?
Gregors: Im Innenstadtbereich von Eisleben herrscht inzwischen ein Mangel an modernen Zwei- und Drei-Raumwohnungen mit gefälligen Zuschnitten und ordentlicher Ausstattung. Das wäre eine Chance für Investoren und Bauherren, die solche Immobilien auch zur Altersvorsorge nutzen wollen.
Also ist Hopfen und Malz noch nicht überall verloren?
Gregors: Auf keinen Fall, selbst auf den entlegenen Dörfern sollte man die Hoffnung nie aufgeben, dass sich ein Käufer für ein Haus findet. Man weiß nie, welche Lebensentwürfe Leute in unsere Region führen oder was jemand mit einem Grundstück vorhat.
Gibt es dafür Beispiele?
Gregors: Natürlich. So sind vor Jahren einige Hallenser Familien in das Sackgassendorf Lochwitz bei Gerbstedt gezogen, weil sie gerade die Abgeschiedenheit und das ursprüngliche Leben in einem Dorf lieben. Oder schauen sie sich das alte Hotel "Zum Löwen" in Eisleben am Markt an. Es stand fast 17 Jahre leer und verfiel immer mehr. Nun hat sich ein Architekt aus Thüringen gefunden, der das denkmalgeschützte Haus sanieren und dann vermieten will. Alles braucht eben seine Zeit.