Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Bäckermeister schickt seine Stollen bis nach Amerika
GREIFENHAGEN/MZ. - Karl Fügner, der Urgroßvater des jetzige Besitzers Gerd Rauchstein, war der Gründer der Bäckerdynastie. Damals wurden vor allem Brot und Brötchen verkauft, den Kuchen stellten die Hausfrauen selbst her und brachten ihre Kuchenbleche zum Backen ins Backhaus. Weil die Familie nicht allein von der Bäckerei leben konnte, betrieb sie noch Landwirtschaft, in den Ställen standen eine Kuh und ein Schwein.
So ging es auch in der zweiten Generation weiter, denn am 12. April 1934 übernahm Walter Fügner das Geschäft. Erst in der dritten Generation gab es eine Veränderung: Vater Walter Rauchstein hatte nicht nur den Bäckerberuf erlernt, sondern war auch Konditor, als er das Geschäft am 20. November 1953 übernahm. Da immer weniger zu Hause gebacken wurde, konnte man nun in der Bäckerei Torten und Kuchen kaufen.
Dass Gerd Rauchstein einmal den Betrieb in vierter Generation übernehmen würde, war nicht gleich klar: Der Jüngste der Dynastie absolvierte an der Humboldt-Universität in Berlin ein Studium als Diplom-Ingenieur für Backwaren und übte über 15 Jahre eine leitende Tätigkeit in der Großbäckerei Sangerhausen aus. Doch 1990 war es damit vorbei und er übernahm das Familiengeschäft - mit Erfolg. Im Vorjahr wurde der Betrieb für sein Roggenmischbrot mit "sehr gut" ausgezeichnet, auf einen Aufruf des Radiosenders "Jump", beste Ostbrötchenbäcker zu melden, wurde die Bäckerei Rauchstein von vielen Kunden lobend benannt. 2011 erhielt Rauchstein das Gütesiegel des Landesinnungsverbandes des Bäckerhandwerks.
Stolz sind die Rauchsteins auf das Erreichte: Für den Laden wurde ein neuer Eingang geschaffen, der nicht mehr durch den Hausflur führt, die Backstube wurde aufs Doppelte vergrößert. Neue Maschinen erleichtern die Arbeit. "Aber auf die alte Beute, Mehlbehälter mit Deckel, möchte ich nicht verzichten", erklärt der Meister. Statt des Kohleofens sorgt jetzt ein Steinbackofen mit Ölheizung für unterschiedliche Brotsorten und Brötchen und leckeres Backwerk, das zum großen Teil nach alten Familienrezepten hergestellt wird.
Begehrt seien auch die Sulfkuchen nach einem Rezept, das es nur im Mansfelder Land gibt, und die speziellen Mohrenköpfe, Plätzchen zur Adventszeit, Salmiakkuchen nach Geheimrezept und Stollen, die bereits bis Amerika verschickt wurden. Allerdings habe sich viel an Zutaten verändert: Das Mehl sei anders als vor der Wende durch veränderte Getreidesorten, daher ergebe sich eine andere Wirkung.
Stolz sind die Rauchsteins darauf, dass sie alles ohne Zusätze backen. "Wir sind ein gutes Team", meint der 55-Jährige. Seine Arbeit beginnt um Mitternacht mit den Vorbereitungen, damit 6.15 Uhr, wenn der Laden geöffnet wird, genügend Brot und Brötchen frisch gekauft werden können.
Frau Gesine ist die Verkäuferin, die für die Kundschaft da ist, sich um Haushalt und Büroarbeiten kümmert. "Wir hoffen, dass wir noch lange tätig sein können. Denn leider erlischt mit uns die Bäckerdynastie. Unser Sohn ist in einem anderen Beruf erfolgreich", so Gerd Rauchstein ein wenig traurig.