1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Eisleben
  6. >
  7. Kulinarisches Weihnachten: Kulinarisches Weihnachten: Galizische Tradition lebt in Sittichenbach

Kulinarisches Weihnachten Kulinarisches Weihnachten: Galizische Tradition lebt in Sittichenbach

Von Jörg Müller 20.12.2019, 10:14
Sittichenbach: Gabi Walter, die aus Schmalzerode stammt, hat die Zubereitung der Holobtsche von ihrer Schwiegermutter übernommen.
Sittichenbach: Gabi Walter, die aus Schmalzerode stammt, hat die Zubereitung der Holobtsche von ihrer Schwiegermutter übernommen. Maik Schumann

Sittichenbach - Bei ihrem Weihnachtsessen halten Gabi und Gerd Walter (beide 66) die Tradition hoch. Am Heiligen Abend kommt bei dem Ehepaar im Eisleber Ortsteil Sittichenbach ein Gericht auf den Tisch, das typisch für das frühere Galizien ist: die Holobtsche (Krautwickel). Der Grund: Die Vorfahren von Gerd Walter stammen aus dem Gebiet, das heute in der Ukraine beziehungsweise in Polen liegt.

Sittichenbach: Wurzeln vieler Einwohner liegen in Galizien

Was in Sittichenbach übrigens die Regel ist: Fast alle Einwohner des kleinen Ortes haben ihre Wurzeln entweder in Galizien oder der Bukowina (heute Ukraine/Rumänien). Im 18. Jahrhundert, als Galizien zu Österreich, später Österreich-Ungarn, gehörte, waren viele Pfälzer dorthin ausgewandert.

In die Bukowina waren viele Bayern gezogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich Flüchtlinge und Vertriebene - sowohl Pfälzer aus Galizien, als auch Bayern aus der Bukowina - in Sittichenbach an. Das damit erst zu einem richtigen Dorf wurde. Denn bis dahin war der im 12. Jahrhundert als Kloster gegründete Ort lediglich eine landwirtschaftliche Domäne.

Gabi Walter, die aus Schmalzerode stammt und viele Jahre als Schulsekretärin im Eisleber Martin-Luther-Gymnasium gearbeitet hat, hat das traditionelle Gericht von ihrer Schwiegermutter übernommen. „Ich bereite immer zwei große Töpfe Holobtsche zu“, sagt sie.

Weihnachtsessen: Holobtsche

Die fermentierten Weißkrautblätter für die Krautwickel gebe es heute im Supermarkt zu kaufen. „Früher haben die Leute einen ganzen Kohlkopf in ein Sauerkrautfass eingelegt.“ Die fertigen Holobtsche werden eingefroren und dann nach Bedarf in der Mikrowelle erhitzt oder mit Butter angebraten.

Zutaten für die Holobtsche (Krautwickel) sind fermentierte Weißkrautblätter, Reis, Zwiebeln, Knoblauch, Speck, Hackfleisch, Salz und Pfeffer. Die Weißkrautblätter gibt es im Supermarkt zu kaufen. Früher wurde ein Kohlkopf in ein Sauerkrautfass eingelegt. Die Zutaten werden vermengt und in die Weißkrautblätter eingewickelt. Die Krautwickel werden in einen großen Topf mit Wasser geschichtet und circa anderthalb bis zwei Stunden weichgekocht. Holobtsche können als Hauptgericht oder Beilage zu Fleisch gegessen werden.

Kren oder Meerrettich ist ein Aufstrich, der zum Beispiel auch zu den Holobtsche passt. Die Paste besteht aus gekochter und geriebener Roter Bete, frisch geriebenem Meerrettich, Zucker, Salz, Pfeffer und Essig (je nach Geschmack). Gegessen wird Meerrettich nicht nur zu Weihnachten.

Für die Pilzsuppe, die bei Familie Walter am Heiligen Abend zu Mittag gegessen wird, wird das Gänseklein des Gänsebratens verwendet. Dazu kommen Suppengemüse, getrocknete Steinpilze und selbst gemachte Nudeln.

Gutje ist eine traditionelle Süßspeise in Galizien. Zutaten sind Weizen, Walnüsse, gemahlener Mohn, Honig und Rosinen. Die Weizenkörner werden eingeweicht. In einem Tuch werden die Spelzen (Deckblätter) abgeklopft. Die Walnüsse werden gehackt, die Rosinen eingeweicht und der Honig verflüssigt. Alle Zutaten werden vermengt zu einem Brei, den man anschließend ziehen lässt.

„Wir essen die Holobtsche als Beilage zum Gänsebraten oder zum Schnitzel“, sagt Gerd Walter. Bei der Füllung könne man variieren. Wenn man zum Beispiel mehr Hackfleisch nehme, können die Holobtsche auch ein gutes Hauptgericht sein.

Das traditionelle Mittagessen am Heiligabend ist die Pilzsuppe, in der das Gänseklein des Gänsebratens verarbeitet wird. Nicht nur zu Weihnachten gibt es bei Walters Kren, eine Rote-Bete-Paste. „Wir sagen einfach Meerrettich dazu.“ Ebenfalls ein Klassiker aus der galizischen Küche ist die Gutje.

Heilig Abend: Zubereitung "alter Gerichte"

„Das machen wir aber nicht mehr“, sagt Gerd Walter, der diese Süßspeise noch von seinem Vater kennt. Ein weiteres typisches Essen sind mit Quark gefüllte Kartoffelklöße. In Sittichenbach würden noch viele Leute die alten Gerichte zubereiten, so Walter.

Insgesamt sei damals in Galizien an den Feiertagen viel und gehaltvoll gegessen worden. Was auch mit der 40-tägigen Fastenzeit vor dem Fest zu tun hatte, die in seiner Familie eingehalten worden sei, wie sich Gerd Walter erinnert. Ein besonderer Brauch am Heiligen Abend sei gewesen, dass die Leute im Ort sich nach dem Kirchgang und der Bescherung gegenseitig besucht hätten. (mz)

Die Zutaten für die Holobtsche (Krautwickel)
Die Zutaten für die Holobtsche (Krautwickel)
Walter