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Kulinarisches Weihnachten Kulinarischer Adventskalender: Karpfen bei Gastwirt Josef Karl und Frau Vera

Von Jörg Müller 13.12.2019, 07:30
Eisleben: Josef Karl betreibt seit 2012 die „Lutherschenke“. Mitte nächsten Jahres geben er und seine Frau das Restaurant auf und ziehen zurück nach Karlsbad.
Eisleben: Josef Karl betreibt seit 2012 die „Lutherschenke“. Mitte nächsten Jahres geben er und seine Frau das Restaurant auf und ziehen zurück nach Karlsbad. Müller

Eisleben - Wer als Gastwirt arbeitet, hat kaum Gelegenheit zu weihnachtlicher Besinnung. Denn für Restaurants zählen die Feiertage zu den Hauptgeschäftszeiten im Jahr. Das ist auch bei Josef Karl so, der seit 2012 die „Lutherschenke“ in Eisleben betreibt. „Am Heiligen Abend haben wir bis 15 Uhr geöffnet“, erzählt der 60-jährige Tscheche.

„Und am 25. und 26. ist dann richtig Betrieb.“ Kein Wunder, dass er und seine Frau Vera nicht ausgiebig Weihnachten feiern können. Wenigstens wohnen sie praktischerweise über der Gaststätte, so dass sie nicht noch einen längeren Weg zur und von der Arbeit haben.

Weihnachten: Karpfen am Heiligen Abend

Für eins nimmt sich das seit 41 Jahren verheiratete Ehepaar aber Zeit: das Weihnachtsessen. „In Tschechien gibt es traditionell am Heiligen Abend Karpfen und Kartoffelsalat.“ Sehr verbreitet sei auch eine Fischsuppe als Vorspeise. „Das mag ich persönlich aber nicht so“, sagt Karl. Deshalb verzichten die beiden auf die Suppe.

Karl stammt aus der Nähe von Karlsbad, wie er das böhmische Karlovy Vary selbst nennt. Sein Vater war Deutscher, seine Mutter Slowakin. So sprach Karl mit seinem Vater Deutsch und fuhr in den Ferien regelmäßig in die DDR, wo ein Teil der Familie seines Vaters lebte. Der andere Teil war nach dem Krieg nach Westdeutschland gegangen.

Eisleben: Karl übernimmt die "Lutherschenke"

Nach seiner Kellner-Lehre arbeitete Karl in einem alteingesessenen Restaurant in Karlsbad. Nach der Wende führte er mit seiner Frau eigene Gaststätten in Karlsbad, Joachimsthal und Ellbogen in Tschechien, bevor sie die „Lutherschenke“ übernahmen.

Besonders in Tschechien und Polen ist der Karpfen das traditionelle Gericht zu Weihnachten. Der Urkarpfen stammt aus Asien. Die Römer brachten ihn nach Mitteleuropa, wo er im Mittelalter zum Fisch für die Fastenzeit avancierte. Damals gab es für die Christen 150 Fastentage im Jahr, an denen der Verzehr von Fleisch verboten war. Karpfen war leicht zu züchten und bot eine gesunde Abwechslung auf dem Speiseplan.

Am Heiligen Abend endete die 40-tägige Fastenzeit vor Weihnachten. Da sollte das Gericht einerseits noch den Fastengeboten entsprechen, andererseits die festliche Weihnachtszeit einleiten. Dass dabei der Karpfen bevorzugt wurde, soll angeblich auch mit seinem griechischen Namen zu tun haben: Ichthys. Das I stehe für Jesus, CH für Christus, TH für Gottes Sohn und Y und S für Erlöser, so dass das Wort allein schon ein kurzes Glaubensbekenntnis ausdrückt. Zudem soll sich aus den Kopfknochen des grätenreichen Fischs eine taubenähnliche Gestalt zusammensetzen lassen - und die Taube symbolisiert bekanntlich den Heiligen Geist.

Als Glücksbringer und Reichtumsbote gilt der Karpfen bereits seit der Steinzeit. Damals trugen die Männer eine Schuppe unterm Lendenschurz, im Mittelalter dann die Mönche unter der Kutte. Auch in China ist der Karpfen ein Symbol für Wohlhabenheit, denn die Wörter Fisch und Überschuss klingen auf chinesisch fast gleich. Es kann also nicht schaden, sicherheitshalber eine Schuppe in den Geldbeutel zu stecken.

„Ich hatte da eine Annonce gefunden und das hat mich interessiert“, sagt Karl. „Am Anfang war es nicht leicht, aber wir haben uns durchgekämpft.“ 2017 konnten sie natürlich vom Tourismus-Boom im Reformationsjahr profitieren, als viele Reisegruppen gekommen seien. Leider sei dies deutlich zurückgegangen. „Wir hoffen immer, dass der Tourismus mal wieder zulegt.“ Ein wichtiges Standbein seien Familien- und Firmenfeiern.

Gastwirt: Karpfengericht kommt privat auf den Tisch

Während im Restaurant die klassische böhmische und deutsche Küche gepflegt wird, kommt das Karpfengericht nur privat bei Karls auf den Tisch. „Wir haben das auch mal im Restaurant probiert, aber das ist nicht so angekommen.“ Der Karpfen werde filetiert, gewürzt und paniert und dann wie ein Schnitzel gebraten.

„Das geht sehr schnell.“ Dazu wird ein einfacher Kartoffelsalat gegessen. In Tschechien werden die Fische auf der Straße in großen Bassins verkauft. „Manche Leute kaufen sie lebend und lassen sie noch ein paar Tage in der Badewanne schwimmen“, erzählt Karl.

Aus dem Kopf des Karpfens werde die Brühe für die traditionelle Fischsuppe gekocht. An den Feiertagen gebe es in Tschechien meistens Geflügel oder Schweinebraten - natürlich mit Knödeln. Typische Nachspeisen sind Palatschinken, Buchteln (Hefeteig-Knödel) und Apfelstrudel. (mz)

Die Dekoration in der Eisleber „Lutherschenke“ ist ein Hinweis auf die kräftige böhmische Küche, die hier auf der Speisekarte steht.
Die Dekoration in der Eisleber „Lutherschenke“ ist ein Hinweis auf die kräftige böhmische Küche, die hier auf der Speisekarte steht.
Müller