Interview mit Jörg Schüttauf Interview mit Jörg Schüttauf : Ex-Tatort-Kommissar über seine Eindrücke aus der Region

Eisleben - Ein flüchtiger Blick in den Spiegel der Garderobe. Ein unprätentiöser Griff ins flachsblonde Struwwelhaar – die Frisur sitzt. Ex-Tatort-Kommissar Jörg Schüttauf ist mit dem Stück „Abraham“, einer Produktion der Magdeburger Kammerspiele, zu Gast im Eisleber Kulturwerk.
Schüttauf, Jahrgang 1961, ist gebürtiger Chemnitzer, Absolvent der Theaterhochschule Leipzig. Er drehte 13 Kinofilme, spielte in mehr als hundert TV-Produktionen mit. Er bekam Grimme-Preise und zahlreiche Filmpreise. Sein Kino-Debüt hatte er in dem preisgekrönten DEFA-Film „Ete und Ali“ (1985).
Unsere Mitarbeiterin Grit-Beate Eisenberg sprach mit ihm über sein Gastspiel und seine Projekte.
Waren Sie eigentlich vor ihrem Gastspiel schon einmal in Eisleben?
Jörg Schüttauf: Also ich muss gestehen: Ich war noch nie in Eisleben. Über Halle bin ich bisher nicht hinausgekommen.
Das ist ja unglaublich. Wollten Sie der Lutherstadt ausweichen?
Schüttauf: Nein, die Strecke von Halle hierher finde ich übrigens wunderschön ist. Rechter Hand findet man einen großen See. Ich dachte nur: Wahnsinn dieser See und dann auch noch ein Weinanbaugebiet. Ich bin zusammen mit meiner wunderbaren Kollegin Susanne Bard und dem Pianisten Jens-Uwe Günther gefahren.
Erinnern Sie sich wirklich nicht mehr an Eisleben?
Schüttauf: Nein. Oder habe ich Kinder hier (lacht)?
Das wäre zu überprüfen. Aber wie lautet denn der Schlusssatz in Ihrem ersten Film „Ete und Ali“?
Schüttauf: (und wie auf Knopfdruck kommt sofort der Text, den er vor über dreißig Jahren einmal gelernt hat) „Und zurück fahren wir über Eisleben. Da gibt’s die schärfsten Weiber.“ Das war übrigens nicht mein Satz, sondern das hat Ali gesagt. Aber ich habe mir schon immer die Texte meiner Filmpartner fast besser gemerkt, als meine eigenen.
„Abraham“ ist ja ein Musical. Wie ist es für einen gestandenen Schauspieler zu singen? Ist das immer noch etwas Ungewöhnliches?
Schüttauf: Nee, nee, überhaupt nicht. An der Schauspielschule in Leipzig hatte ich einen Lehrer, der mir beweisen wollte, dass ich nicht singen kann. Als Jens-Uwe Günther, der Pianist in „Abraham“, an die Schule kam und mich im Fach Chanson unterrichtete, war ich innerhalb von, ich sag mal zehn Tagen, von einer Vier auf eine Zwei gerutscht oder auf eine Eins sogar. Das habe ich nie vergessen. Ich konnte bei ihm wunderbar singen, was mir vorher nicht gelang.
Also war die Rolle ein Glücksgriff?
Schüttauf: Als mir angetragen wurde, mit Susanne Bard, mit der ich in Leipzig studiert habe, und unserem ehemaligen Gesangslehrer Jens-Uwe Günther, zusammen zu arbeiten, wollte ich unbedingt dabei sein. Zum einen ist es eine große Herausforderung, denn es ist ein tolles Stück von einem genialen Mann. Und dieser Stoff verlangt viel von den Figuren ab, die da auftauchen. Das ist der Hauptmotor.
Was bewegt Sie bei dem Stück?
Schüttauf: Natürlich hat das alles zu tun mit Judenverfolgung, mit den Nazis, aber auch ganz viel mit der Jetztzeit. Mit Erschrecken stellt man fest, wie aktuell das Thema Fremdenhass immer noch ist.
Sie sind gebürtiger Chemnitzer und zählen zu den Schauspielern, die den Übergang nach der Wende erfolgreich geschafft haben. Fühlen Sie sich als ostdeutscher Schauspieler oder eher als gesamtdeutscher?
Schüttauf: Am Anfang ging es sehr schnell, dass ich das vergessen habe. 1991 war das sehr nett da drüben. Man galt einfach als ein bisschen exotisch. Und da habe ich diesen ganzen Ostalgiequatsch so ein bisschen vergessen. Ich bin tatsächlich angekommen im großen Deutschland. Und wenn ich heute die Möglichkeit habe, flexibel zu sein, und jung genug und gesund bin, dann muss ich eben dort hin, wo mir Arbeit geboten wird oder ich muss die ganze Zeit als altes Mütterchen vor meiner Haustür sitzen und warten, dass irgendetwas kommt und „es kommt wieder nischt und wieder nischt.“ Mir ist es Gott sei Dank nicht so gegangen.
Woher kommt die unübersehbare Lust am Theaterspielen?
Schüttauf: Das ist, weil man den Beruf mag, ihn gerne ausführt und praktiziert. Und, weil man das heute vielleicht gar nicht mehr so einfach machen kann, mit diesen wenigen Projekten. Da wird da gespart und dort gespart. Das macht alles keinen Spaß. Film ist digital und technisch. Theater macht mir Freude. Theater ist live, zwei Stunden lebendig. Du hast es mit Menschen auf der Bühne zu tun, mit realen Situationen, die mal mehr, mal weniger, klappen.
Natürlich sind Sie als Tatort-Kommissar vielen Zuschauern bekannt. Verraten Sie den Lesern der MZ noch etwas über Ihre neuen Projekte?
Schüttauf: Ganz viel Herzblut steckt in einem Film, der im März 2017 in die Kinos kommt. Ich habe dafür in einem Zeitraum von vier Wochen jeden Tag abends im Theater in Hamburg gespielt und tagsüber in Berlin gedreht.
Und welchen Part übernehmen Sie in dem neuen Streifen?
Schüttauf: Und jetzt halten Sie sich fest: Ich bin der Erich Honecker. Ich bin unser Erich (Schüttauf bremst die Sprechgeschwindigkeit um die Hälfte und verfällt in den typischen „Erich-Slang“). Ich spiele einen, der so tut, als wäre er Erich Honecker, um seine Tochter zu retten. Die Geschichte ist echt lustig. Der Titel heißt „Vorwärts immer!“ Der Film entsteht in der Regie von Franziska Meletzky. (mz)