Immer mehr Videotheken schließen Immer mehr Videotheken schließen: Eisleber stemmt sich mit neuer Idee gegen den Trend

Eisleben - Andreas Richter steht in einem schwarzen Rollkragen-Pulli hinter dem Tresen der Eisleber Videothek in der Friedensstraße. Hinter ihm, an der Wand, hängen Filmplakate, im Regal liegen Hunderte CD-Hüllen mit Filmen, fein säuberlich nummeriert. Richter telefoniert. Irgendwann sagt er: „Wir denken positiv.“ Dann legt er auf.
Positiv denken. Das ist im Videotheken-Geschäft derzeit alles andere als leicht. Die Lage der Branche ist dramatisch, in ganz Deutschland schließen reihenweise Filmverleihe, praktisch jeden Tag. Der Begriff Videothekensterben ist längst ein geflügeltes Wort - und keine Übertreibung. In den Hochzeiten soll es in Deutschland mal rund 8.000 Videotheken gegeben haben, 2008 waren es dann noch etwa 3.000. Diese Zahl hat sich inzwischen mehr als halbiert, 2015 sank sie auf knapp über 1.000. „Es geht steil bergab“, sagt Richter. Illusionen, die macht er sich nicht.
Viele Kunden schauen Filme heutzutage im Internet
Es ist jetzt kurz nach 10 Uhr, der erste Kunde betritt den Laden. Er hat eine schwarze Tasche dabei, voll bepackt mit Videospielen. Richter schaut sich die Sachen an, er kauft hier auch Filme und Videospiele auf. Viel Geld, sagt er, kann er dafür nicht geben, einige Spiele sind zu alt. Ein bisschen Gewinn will er beim Weiterverleihen ja auch machen. Von irgendwas muss man ja leben.
Dass es mit der Branche bergab geht, hat verschiedene Ursachen, sagt Richter. Das Internet, klar. Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime gewinnen an Boden, gerade bei jüngeren Leuten. Auch illegale Downloads sind nach wie vor ein Problem. Die Digitalisierung sei aber nicht der einzige Grund, meint Richter. „Die Leute haben auch einfach weniger Geld, sie müssen sparen.“ Und auch die Qualität der Filme habe abgenommen, es gebe zuwenige echte Blockbuster. „Die Kunden wollen Pop-Corn-Kino sehen“, sagt er. Inzwischen aber fehlten die echten Zugpferde, Schauspieler wie Sylvester Stallone, Bruce Willis oder Arnold Schwarzenegger. Und zu allem Überfluss sei sich auch die Branche uneins, es gebe einen harten Preiskampf, der insbesondere kleinere Videotheken belaste - und oft zur Aufgabe zwinge.
Wie es sich anfühlt, eine Videothek aufzugeben, das weiß Richter. Der 55-Jährige ist seit Anfang der 90er Jahren im Geschäft, er betrieb Filmverleihe unter anderem in Querfurt und Sangerhausen. Inzwischen konzentriert er sich auf jenen in Eisleben. Anfang der 90er, erinnert er sich, das waren die goldenen Jahre. „Die Leute hatten einen unglaublichen Nachholbedarf, sie haben alles geschaut, was sie in der DDR nicht bekamen.“
Ein Eiscafé als Rettungsanker?
Diese goldenen Jahre sind vorbei. Unwiederbringlich. Und Richter hat auf die Entwicklungen längst reagiert. In den Regalen in Eisleben stehen nicht nur rund 10.000 Filme, in Glasvitrinen bietet er auch gänzlich andere Dinge an: Playmobil, Lego, Federtaschen, Fußball-Fanartikel. „Man muss sich heutzutage breiter aufstellen“, sagt er. Ein Filmverleih alleine reiche nicht mehr aus, nur die Kombination aus verschiedenen Angeboten erhalte das Geschäft am Leben.
Und damit das auch so bleibt, damit die Videothek nicht dem Schicksal so vieler Filmverleihe in Deutschland folgt, hat Richter nun noch etwas anderes vor. Am 2. März eröffnet er direkt nebenan ein Eiscafé. Damit möchte er sich nicht nur ein neues Arbeitsfeld erschließen, er hofft auch, dass er damit Kunden für die Videothek gewinnt, die nach einem Eis oder Kaffee einfach mal vorbeischauen. „Das Eiscafé gibt einen Motivationsschub“, sagt er. Einen Schub, den man im Videotheken-Geschäft sicher gut gebrauchen kann. (mz)