Hettstedter bricht in die Phalanx ein
Hettstedt/MZ. - Bei den "Second World Traditional Wushu Championships", die in der Nähe des berühmten Shaolin-Klosters stattfanden, hat sich der 26-jährige Hettstedter als einziger Europäer gegen die starke einheimische Konkurrenz durchgesetzt und sensationell den Titel gewonnen.
Student an Elite-Uni
Seitdem haben sich die Ereignisse überschlagen. Immer öfter taucht der Hettstedter als Exot in den chinesischen Medien auf. Günter Jauch hat ihn in dieser Woche auch ins deutsche Fernsehen geholt, wo er mit einem Schaukampf gegen zwei Angreifer die Zuschauer verblüffte. Maik Albrecht ist einer der ersten westlichen Studenten, die ein komplettes Vollstudium in China absolvieren. An der Elite-Universität in Wuhan, der Hauptstadt der Provinz Hubei, ist er in den Fächern chinesische Sprache und Kultur eingeschrieben.
Der groß gewachsene Blondschopf lebt in der Familie des Großmeisters der chinesischen Kampfkünste, Li Zheng Hua. Dort hat er sich durch Leidenschaft und eisernes Training zu einem wahren Könner des traditionellen Wushu entwickelt, das in China ein vergleichbares Ansehen wie Fußball in Deutschland genießt.
Angefangen hat Maik Albrecht mit dem Kampfsport als Elfjähriger beim Hettstedter Karateverein "Heiwa". Während der Bundeswehrzeit kam es dann zu jenen Begegnungen, die sein weiteres Leben entscheidend prägen sollten. In Dessau trainierte er damals bei einem anderen chinesischen Meister, einem Bekannten von Li Zheng Hua. Wenig später lernte er dessen Tochter Li Qiaofang kennen, die in Köthen ein Studium als Fachübersetzerin bestreitet. "Nach dem Wehrdienst hab ich dann überlegt, was ich machen soll", erinnert sich der Hettstedter, der inzwischen mit der hübschen Chinesin verheiratet ist. Durch die entstandenen Familienbande wurde er von seinem heutigen Schwiegervater als Schüler in China aufgenommen.
Zunächst beschränkte sich der Trainingsaufenthalt des Hettstedters auf ein halbes Jahr. "Das war auf gut Risiko", erzählt "Mai Ke", wie er in China gerufen wird. Land und Sprache waren ihm damals noch völlig fremd. Die Gastfreundlichkeit und nicht zuletzt das Angebot seines Meisters, wiederzukommen, ließen bei ihm den Entschluss reifen, sein Studium in China aufzunehmen und Deutschland zunächst zu verlassen.
Seitdem bestimmen die chinesischen Kampfkünste zumindest sein halbes Leben. Mit Li Zheng Hua trainiert er täglich mehrere Stunden. Das geschieht in Gassen und Hinterhöfen von Wuhan. "Wushu ist sehr umfangreich", sagt er. Und der Oberbegriff für viele verschiedene Kampfkünste und -stile, die zum einen aus festgelegten traditionellen Formen und zum anderen dem Sanda, dem freien Vollkontaktkampf mit Würfen, Tritten und Schlägen, bestehen. Auch zahlreiche Waffen wie Säbel, Schwerter oder Stöcke sind im Wushu gebräuchlich.
Dass Maik Albrecht als Europäer in die traditionelle Kampfkunst eingeweiht wurde, stößt nicht überall auf Gegenliebe. "Die Chinesen haben Angst, dass man ihnen ein Stück vom Kuchen wegnimmt", erzählt er. Sein Titelgewinn war dafür umso überraschender. Von allen anderen Nationen getrennt, trugen die chinesischen Kampfkünstler bislang ihre eigene Konkurrenz der traditionellen Formen aus, in der der Hettstedter als einziger Ausländer antreten durfte. Keiner ahnte, dass er in die chinesische Phalanx einbrechen sollte. "In der Form ist das noch nicht passiert", sagt Maik Albrecht, der trotz seines Erfolges bescheiden geblieben ist.
Ehefrau in Köthen
Die zahlreichen Interviews, die seitdem in seiner Wahlheimat auf ihn zukommen, absolviert er inzwischen in fließendem Chinesisch. Wenn der junge Hettstedter in wenigen Tagen nach China zurückkehrt, wartet dort das letzte Semester auf ihn. Seine Frau wird er dann wieder für eine Weile nicht sehen, denn sie will ihr Studium in Sachsen-Anhalt beenden.