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Gekonnter Kraftakt Gekonnter Kraftakt: Armwrestling ist nicht Armdrücken

Von Antonie Städter 11.04.2015, 11:55
Ein Kampf dauert nur Sekunden: Jan Sarembe (rechts) mit Trainingspartner Tobias Fitzenreiter in Hergisdorf bei Eisleben.
Ein Kampf dauert nur Sekunden: Jan Sarembe (rechts) mit Trainingspartner Tobias Fitzenreiter in Hergisdorf bei Eisleben. Andreas Stedtler Lizenz

Halle (Saale) - Armwrestling. Interessantes Wort. Wrestling ist ja wieder im Kommen, mit Ex-Fußballtorwart Tim Wiese und anderen harten Kerlen, die sich im Ring effektvoll auf die Nase geben. Aber was, bitteschön, sollen diese Showkämpfe allein mit den Armen zu tun haben?

Armdrücken. Da entstehen sofort Bilder im Kopf: verrauchte Kneipen, entblößte Bizepse, angebrochene Biere, dazu grimmige Blicke - bis ein Arm fällt. Tim Wiese würde da auch gut reinpassen.

Armwrestling ist nicht Armdrücken. Auch wenn das eine gern mit dem anderen erklärt wird - quasi als professionelle Variante des Kneipensports. Aber sprechen Sie mal einen Profi darauf an! „Armdrücken hat nicht ansatzweise etwas mit Armwrestling zu tun“, sagt Jan Sarembe, kräftiger Typ, Unterarm-Umfang: 43 Zentimeter. Der Eisleber ist seit fünf Jahren Armwrestler, seit anderthalb Jahren tritt er bei Wettkämpfen an. Bei der Deutschen Meisterschaft in zwei Wochen sind die Top 5 sein erklärtes Ziel. Und: Der 46-Jährige hat im Januar mit seinen Trainingskollegen den ersten Armwrestling-Club Mitteldeutschlands gegründet - sechs Männer und eine Frau.

Hergisdorf, ein Ort nahe Eisleben. Hinter der grauen Fassade eines ehemaligen Möbelwerks werden Hanteln gestemmt, Sit-ups und Liegestütze gezählt, wird an Geräten geschwitzt, und man hört das übliche Ächzen, wenn einer ein besonders schweres Gewicht schaffen will. Ein Fitnessraum wie jeder andere. Doch mehrmals pro Woche holen hier, im Domizil des Turn- und Sportvereins 1891 Hergisdorf, die Aktiven der Abteilung Armwrestling ihren speziellen Kampftisch hervor: blaues Gestell, exakt 104 Zentimeter hoch (die Kämpfe finden im Stehen statt), mit Griffen zum Festhalten und roten Polstern für die Ellenbogen. Sarembe hat ihn selbst gebaut - nach den offiziellen Wettkampfvorgaben.

Auch Armringen genannt

Das ist wohl der größte Unterschied zum gewöhnlichen Armdrücken: Beim Armwrestling - auch Armringen genannt - wird nach strengen Regeln gekämpft. Jan Sarembe demonstriert das mit Trainingspartner Tobias Fitzenreiter. Die beiden stehen sich am Tisch gegenüber, jeder hat noch einmal in die Magnesia-Schale gegriffen - für den optimalen Grip. Mirko Oehmichen, 24, gibt den Kampfrichter. Bevor es losgeht, überprüft er die Haltung der beiden: Sind die Handgelenke gerade? Die Schultern parallel zur Tischplatte? Alles in Ordnung. Die Gegner blicken gespannt auf seine Lippen. Bis er das Kommando gibt: „Ready.“ - „Go!“ Das Startsignal, wie es so auch bei den Wettkämpfen zu hören ist. Ein Kampf dauert üblicherweise zwischen fünf und 20 Sekunden.

Dieses Mal landet der Handrücken von Tobias Fitzenreiter auf dem roten Polster. Sportfreund Sarembe habe ihn mit der Begeisterung für das Armwrestling angesteckt, sagt der 41-jährige Linksdrücker, der sonst die Sektion Kraft und Fitness im Verein leitet. „Es ist eine Art sich zu messen, ohne sich zu schlagen.“ Auch Mirko Oehmichen ist von dem Sport angetan: „Es macht großen Spaß.“ Seit Oktober ist er dabei. Seine Freundin Janine Peinhardt ebenfalls - auch wenn sie als Frau allen Trainingspartnern unterlegen ist. „Es wäre natürlich schön, wenn es eine Trainingspartnerin gäbe“, meint das 28-jährige Leichtgewicht. Armwrestling ist durchaus nicht nur ein Männersport. „Es gibt Frauen in der Weltklasse, gegen die hat auch der stärkste Bodybuilder keine Chance“, sagt Jan Sarembe.

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Ohnehin ist nicht allein die Kraft ausschlaggebend. „Es zählen auch Reaktionsvermögen, Geschwindigkeit, Erfahrung und natürlich die Technik.“ Der beim Armdrücken gern präsentierte Oberarmmuskel ist weniger entscheidend: „Auf einen

dicken Bizeps kommt es beim Armwrestling nicht unbedingt an“, so Sarembe, der durch seinen erwachsenen Sohn zu dem Sport kam und beruflich als Sicherheitsdienst-Leiter einer Justizvollzugsanstalt in Halle tätig ist sowie Selbstverteidigungskurse gibt. „Wichtiger ist die Kraft in Unterarm und Handgelenk. Und letztlich setzt man am Tisch den gesamten Körper ein.“ Natürlich werden die Kämpfe auch auf psychologischer Ebene ausgetragen: „Der Augenkontakt zum Gegner ist sehr wichtig - gern geht man dafür auch mal nah ran.“ Kurz vor dem Start den Griff zu lösen, sei ebenfalls ein oft genutztes Mittel, den Gegner aus dem Konzept zu bringen.

Gerade erst gegründet, haben die Hergisdorfer mit der Armwrestling-Abteilung des VfL Wolfsburg bereits einen renommierten Partnerverein. Weshalb sie hin und wieder mit einem der auch international erfolgreichsten Sportler dieser Disziplin zusammen trainieren: Matthias Schlitte, dessen sportliche Heimat Wolfsburg ist. Der 28-Jährige aus dem kleinen Ort Bebertal nahe Haldensleben in der Börde hat mit 16 als Armwrestler begonnen, seither acht Deutsche Meisterschaften gewonnen und ist auch bei internationalen Wettkämpfen immer wieder auf dem Treppchen gelandet - bis hin zur Vize-Weltmeisterschaft 2013 in Warschau.

Sein Kampfname: „Hellboy“, in Anlehnung an die Comicfigur mit dem übergroßen rechten Arm. Denn von Geburt an ist Schlittes rechter Armknochen dicker als der linke - „dadurch hat sich eine stärkere Muskulatur gebildet“, erklärt er. Eine „sehr gute Basis“ für seinen Sport. Aber nicht alles. „Ohne Training, Erfahrung und Technik wäre das nichts wert.“

Titel nicht im Vordergrund

Dabei betont der Sachsen-Anhalter, der Personalmanagement studiert hat und nun für das Justizministerium des Landes tätig ist: „Für mich stehen die großen Titel gar nicht unbedingt im Vordergrund, sondern ich möchte diesen tollen Sport vor allem noch bekannter machen.“ Dazu passt, dass er Armwrestling-Kämpfe im Sportfernsehen kommentiert hat, in Japan und Südkorea in bunten Unterhaltungsshows vor Millionen aufgetreten ist oder erst kürzlich bei Stefan Raab in der Sendung zu Gast war.

Trotzdem ist er natürlich ehrgeizig: Bei der Deutschen Meisterschaft am 25. April wird er zwei Klassen über seinem Gewicht, in der Kategorie bis 80 Kilogramm, starten. „Ich brauche so schwierige Gegner wie möglich, um die nötige Wettkampfhärte zu bekommen.“ Den Fokus legt er vor allem auf die Europameisterschaft im Juni. „Eine Medaille dort ist mein großes Ziel.“

Die Hergisdorfer fiebern erst einmal der Deutschen Meisterschaft entgegen. Dann können sie ein erstes Zeichen setzen.

Interessierte können an einem Probetraining teilnehmen. Anmeldung unter: [email protected]

Mehr Informationen unter: www.tus1891-hergisdorf.de und www.matthias-schlitte.de

Stark: Matthias Schlitte
Stark: Matthias Schlitte
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