Erinnerungen an die Mauer Erinnerungen an die Mauer: Lebens- und Liebesgeschichte eines Eislebers

Wolferode - Bau und Fall der Mauer verbindet Hans-Jürgen Vater mit ganz persönlichen Erlebnissen. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls erinnert er sich an seine bewegende Lebens- und Liebesgeschichte, die er in einem Brief an die MZ so schildert: „Die Zeit wollte es so, dass sich die Malerklasse in der Berufsschule Eisleben 1961 entschied, mit den Schneiderlehrlingen eine Abschlussfahrt nach drei Jahren Lehre zu machen. Es sollte nach Ahlbeck an die Ostsee gehen. Es ging in der Nacht von Eisleben los. Ein extra bestellter Waggon für diesen „Kindertransport“.
Über 28 Jahre trennte die Mauer die DDR von der Bundesrepublik Deutschland. In dieser Zeit wurden mindestens 138 Menschen an der Berliner Mauer getötet. Dies ist der aktuelle Stand eines Projektes von der Gedenkstätte Berliner Mauer und vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. Weitere 251 Menschen aus Ost und West seien während oder nach Kontrollen an den Berliner Grenzübergängen verstorben.
Unterwegs, kurz vor Berlin beziehungsweise Potsdam wurden überall die Türen verschlossen und der Zug fuhr langsam in Schritttempo. Das war schon für uns alle eine Sensation. Es wurde gerätselt, was los ist. Auf einem Bahnhof in Berlin durften wir den Bahnsteig nicht verlassen. Das bekamen wir über Lautsprecher gesagt. Da ich nun groß und kräftig war, wurde ich von einem Transport-Polizisten ausgesucht, um Tee zu holen. Die Versorgung des Transportes musste ja auch früh um 6 Uhr gesichert sein. Wir beide fuhren mit dem Fahrstuhl in den Bahnhofskeller, gingen durch Gänge bis wir nach draußen kamen, gingen über einen Platz in eine Baracke und holten dort den Tee ab. Den ganzen Weg mit dem vollen Kübel zurück auf den Bahnsteig. Zu diesem Zeitpunkt haben wir noch nicht gewusst, was vielleicht 500 Meter von uns weg geschieht.
Vom Bau auf Klassenfahrt erfahren
Nach langem Stehen auf dem Bahnsteig fuhr der Zug dann endlich weiter in Richtung unseres Ferienziels nach Ahlbeck an der Ostsee. Erst dort haben wir mitbekommen, was geschehen war. Nach dem Kauf einer 9 Volt-Batterie für das vom Lehrlingsgeld zusammengesparten „Sternchen“ wurde uns dann das ganze Geschehen öffentlich gemacht. Aus der Sicht von heute haben wir alle auf der Klassenfahrt den Bau der Mauer früh um 6 Uhr am 13. August 1961 auf dem Bahnhof Berlin (Ostbahnhof) miterlebt - unbewusst. Das war die eine Seite und der Anfang der Mauer.
Später - nach vielen Jahren bin ich dann zu meiner Lebensgefährtin nach Wolferode gezogen. Genau am 9. November 1979. Am gleichen Tag, aber zehn Jahre später, saßen wir beide vor dem Fernseher und haben auf unser Zehnjähriges angestoßen. Wir konnten nicht ahnen, dass wir die Flasche „Rotkäppchen“ noch zu einem anderen Höhepunkt gebrauchen konnten. Beim Anstoßen wurde der Bericht von Schabowski vorgelesen und wir trauten unseren Ohren nicht. Es musste sich erst einen Moment setzen, bis wir das alles glauben konnten. Wir verfolgten die Berichte im Fernsehen weiter, denn wie viele andere gleich losfahren, das konnten wir ja nicht, weil wir ja unser Fest schon ein wenig gefeiert hatten. In der Zwischenzeit sind wir auch verheiratet und dieses historische Datum steht auch in unseren Ringen.“ (mz)
