Erinnerung an Koffer-Kurti Erinnerung an Koffer-Kurti: Lutz Hiller veröffentlicht seltene Fotos in seinem Buch

Eisleben - Er war ein Eisleber Original: Kurt Bloßfeld, genannt Koffer-Kurti. „Er hat immer mit seinem Holzkarren Koffer vom und zum Bahnhof gefahren“, erzählt Lutz Hiller. „Jeder in Eisleben und Umgebung hat Koffer-Kurti gekannt.“ Und Hiller trägt ein bisschen dazu bei, dass der Mann nicht in Vergessenheit gerät.
Denn sein demnächst erscheinendes Buch „Alltag in Eisleben“ enthält auch ein seltenes Foto, das Koffer-Kurti zeigt. Es ist nicht die einzige Rarität in dem Band mit 190 Bildern aus den 1960er bis 1980er Jahren. Das hat mit der Herkunft der Fotos zu tun. Der größte Teil stammt nämlich von Karl-Heinz Olejnyk.
Lutz Hiller sammelt seit 30 Jahren alte Fotos und Dokumente
Der Wolferöder leitete den Fotozirkel des Volkspolizei-Kreisamtes (VPKA) in Eisleben. „Er hat sowohl dienstlich als auch privat fotografiert“, berichtet Hiller. Und als Volkspolizist und Abschnittsbevollmächtigter (ABV) habe Olejnyk vieles fotografieren können, was einem normalen DDR-Bürger nicht erlaubt war. „Damals durfte man ja zum Beispiel nicht mal Fotos von der Krughütte machen.“
Hiller (55), der aus Eisleben stammt und heute in Klostermansfeld lebt, sammelt seit mehr als 30 Jahren historische Bücher, Fotos, Dokumente, Zeichnungen und Landkarten, vor allem aus Eisleben und dem Mansfelder Land. Mittlerweile besitzt er mehrere tausend Objekte, darunter zahlreiche Originale.
Außerdem sammelt Hiller Buchstützen aus aller Welt. 2011 hat er gemeinsam mit seiner Frau Elke in der Lutherstraße in Eisleben das Lesecafé „Heimatbuch“ eröffnet. Aus gesundheitlichen Gründen können sie das „Heimatbuch“ seit einiger Zeit nicht mehr betreiben. Lediglich alle zwei Wochen dienstags treffen sich hier Heimatfreunde aus Eisleben und Umgebung. Dann sind auch Passanten und Touristen als Besucher willkommen.
Hiller lernt Karl-Heinz Olejnyk im Lesecafé Eisleben kennen
2013 lernte Hiller in seinem Lesecafé einen älteren Herrn kennen, wie er erzählt. Es war Karl-Heinz Olejnyk, der wegen eines Umzugs seine alten Fotos und Bücher loswerden wollte. „Er hat gesagt, ich könne damit machen, was ich will.“
Es seien bestimmt 5.000 Fotos gewesen, schätzt Hiller. Das Spektrum reichte dabei von Verkehrsunfällen, die Olejnyk im Dienst fotografiert hatte, bis zu Alltagsszenen und Sportveranstaltungen. „Die Fotos zeigen ein anschauliches Bild der DDR-Zeit“, sagt Hiller.
Die Idee mit dem Buch sei im vergangenen Jahr in einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Sutton-Verlags entstanden. Das Erfurter Verlagshaus ist auf Lokal- und Regionalgeschichte spezialisiert. Die Herausforderung für Hiller bestand zum einen darin, eine Auswahl aus den 5.000 Fotos zu treffen.
Viel Recherchearbeit für Eisleber Heimatbuch nötig
Zum anderen war das Problem, dass die Bilder nur zum Teil beschriftet waren. „Ich habe recherchiert, bin bei Vereinen gewesen oder habe in den Orten einfach irgendwo geklingelt und die Leute gefragt“, so Hiller. „Das war manchmal ganz schön aufwändig.“
Um die Darstellung im Buch abzurunden, hat er einige seiner Fotos hinzugefügt. In Olejnyks Sammlung habe es zum Beispiel kaum Bilder von Kindern und Jugendlichen gegeben. Der überwiegende Teil der Fotos sei aber von Olejnyk. Was aus ihm geworden ist, weiß Hiller nicht. „Wir hatten seitdem keinen Kontakt mehr.“
Buch über Eisleben in fünf Kapitel untergliedert
Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert: Kinder- und Jugendzeit; Unfälle und Katastrophen; Orden, Aufmärsche und Uniformen; sozialistischer Alltag sowie Fußball in Eisleben. Eindrucksvoll zum Beispiel, wie in den 60er Jahren in der Thälmannsiedlung Kinder auf einer fast autofreien Straße Fußball spielen.
Im Zusammenhang mit den Weltfestspielen 1973 in Berlin hat Olejnyk Fotos für den Dienstgebrauch aufgenommen, die Volkspolizisten in einem Eisleber Park zeigen. „Sie üben, wie man Leute einkreist“, sagt Hiller. „Das hat mich schockiert.“ Auf einem anderen Foto sind junge Männer zu sehen, die am 1. Mai 1969 mit einem Kofferradio auf dem Marktplatz sitzen. „Sie sind gleich von der Polizei kontrolliert worden.“
Letzter Schultag in Kostümen - Zu DDR-Zeiten verboten
Besondere Erinnerungen verbindet Hiller mit einem Foto seines letzten Schultages 1980 an der POS „Hans Seidel“. „Wir sind mit Kostümen unterwegs gewesen.“ Was heute normal ist, war damals ein Verstoß gegen die Disziplin. „Wir sollten eigentlich mit FDJ-Bluse kommen“, so Hiller. Zwei Klassen hätten sich daran nicht gehalten.
Ein seltenes Zeitdokument ist ein Foto des Erdfalls 1987 auf der damaligen F 180 bei Neckendorf. An dem 35 Meter tiefen Loch, das dann verfüllt wurde, sind Polizei und Zivilverteidigung im Einsatz. „Davon gibt es sonst keine Fotos“, sagt Hiller. In Wolferode hat Olejnyk sowjetische Soldaten beim Kartoffelfahren abgelichtet.
Bärenzwinger in Polleben heute kaum noch vorstellbar
Dass der kleine Ort Polleben fast 30 Jahre lang einen Bärenzwinger hatte, ist heute kaum noch vorstellbar. Auf dem Gelände an der damaligen Gaststätte „Freundschaft“, heute „Zum Bär“, lebte von 1962 bis 1989 die Bärin „Bella“, ein Geschenk zur 800-Jahr-Feier des Dorfes.
Auch ein Foto der Einweihung des Thälmann-Denkmals 1962 in Polleben ist in dem Buch enthalten. Der aus Wolferode stammende Arbeiterschriftsteller Otto Gotsche hielt damals die Festrede.
„Ich möchte mit dem Buch ein Stück Heimatgeschichte bewahren. Dieses Wissen stirbt ja sonst aus“, so Hiller. „Und es wäre auch schade, wenn die Fotos nur in einer Kiste liegen würden.“
Das Buch ist ab Mitte Mai erhältlich (19,99 Euro). Hiller stellt es am 29. Mai, 16 Uhr, im „Heimatbuch“ vor. (mz)