Ein Ehrengeschenk von den Chirurgen
Halle/MZ. - und blickt auf zwei hinter Glas in einem Schaukästchen befestigte silberne Haken, ein Abschiedsgeschenk der Chirurgen, denen der Kinderarzt seit Schließung der Pädiatrie mit eben solchen Haken im OP-Saal zur Hand gegangen ist.
Der 60-Jährige hat sein gesamtes Berufsleben im hiesigen Kreiskrankenhaus verbracht, wie es 1974 noch hieß, als er frisch von der Universität nach Eisleben kam, jene Stadt, die seit 1958 seine Heimat ist. Er wollte unbedingt zurück, hier wohnten seine Mutter und seine Geschwister. Und nicht zuletzt wollte er im Kammerchor "Madrigal" bleiben, dessen Vorsitzender er nun schon seit Jahren ist. Als sich da die Möglichkeit bot, seine Ausbildung am Eisleber Krankenhaus fortzusetzen, überlegte der junge Arzt nicht lange.
Im Krankenhaus durchlief er auch die Pädiatrie, dessen Chefarzt Dr. Wolfgang Reichelt seinen weiteren Werdegang bestimmen sollte. Reichelt wollte den Absolventen Brandt in seiner Abteilung behalten und schlug ihm die Ausbildung zum Kinderarzt vor. "Im Nachhinein muss ich sagen: Das war eine sehr glückliche Fügung", blickt Brandt zurück. Denn Reichelt war ein Pädiater, wie er im Buche steht, ein Mann, der motivieren und begeistern konnte. "Er hätte es noch so weit gebracht, mich zur Promotion zu treiben", schmunzelt Wolfgang Brandt, für den der Doktorhut eigentlich nie ein Thema war. Er hat 1980 seine Facharztausbildung abgeschlossen und sich als Pädiater einen Ruf erworben, der über Eisleben hinaus wahrgenommen wurde. "Ein ausgezeichneter Kinderarzt", so Kathrin Dellas, die sich vor Jahren als Ärztin am Eisleber Krankenhaus ihre erste Sporen verdiente und heute in Halle wirkt.
Die Medizin liegt bei Wolfgang Brandt in der Familie, sein Vater, den er leider viel zu früh verlor, war Dermatologe, der Großvater Internist und der Onkel Rheumatologe. Die Familie stammt aus Merseburg. Erst vor kurzem erfuhr Brandt durch Zufall, dass seine Wurzeln ja auch in Wimmelburg liegen. Dort lebte seine Ururgroßmutter, deren Spuren er in nächster Zeit verfolgen möchte. Er hat ja nun Zeit, die er nutzen möchte um nachzuholen, was in der Vergangenheit nicht möglich war.
Die letzten Monate der Kinderabteilung in Eisleben hatten es ja in sich. Als die Schließung, die Brandt heute noch als eine "totale Fehlentscheidung" ansieht, sich abzuzeichnen begann, wanderten Ärzte ab, so dass die letzten beiden Jahren nur noch zwei übrigblieben, die unter schwierigsten Bedingungen die Versorgung aufrecht erhielten. Wieviel Stunden er da am Stück gearbeitet hat, verrät er nicht. Denn bei dem Rhythmus 34 Stunden Krankenhaus, 14 Stunden zu Hause kommt eine Arbeitszeit zusammen, "die darf man nicht öffentlich machen", sagt er.
Heute ist er froh, das alles durchgestanden zu haben. Und er ist seiner Frau Helga dankbar für dieses "irrsinnige Verständnis". Rückblickend sagt er, dass in seinem Leben wohl viel daneben gegangen wäre, ohne dieses Verständnis, diesen Zusammenhalt in der Familie. Was die Zukunft betrifft, möchte er "mit gesundem Kopf und geraden Gliedern Dinge nachholen", die der Dienstplan in der Vergangenheit nicht erlaubte, zum Beispiel: kulturelle Angebote wahrzunehmen.