Die Wecken für den Westen
EDERSLEBEN/MZ. - Zuletzt blieb Bäckermeister Fritz Flucke übrig, der noch bis 1989 in der Backstube gearbeitet hatte. Ursula Flucke (73) kam 1954 nach Edersleben. Insgesamt 36 Jahre war sie hier und in Oberröblingen als Lehrerin tätig. Die gebürtige Wallhäuserin unterrichtete noch Mehrstufenklassen mit bis zu 36 Kindern. In der Weihnachtszeit nahm sie die Kinder mit in die Backstube.
Ursula Flucke bäckt auch heute noch sehr gern ihr Weihnachtsgebäck selbst, das sie in einem großen Steintopf aufbewahrt. Schnell füllt sie eine Glasschale mit Kostproben des unterschiedlichen Backwerks, wie Makronenplätzchen und Pfefferkuchen. Viele Rezepte, auch von ehemaligen Bäckereikunden, hat sie über die Jahre in Heften und Büchern gesammelt. Selbst ein "Kochlehrbuch für Schule und Haus" aus dem Jahre 1912 und Nachkriegsrezepte sind darunter. "Vieles liest man gern, aber man kann gar nicht alles machen", sagt sie. "Oftmals bleibt man bei den Rezepten, die man kennt. Da kann man sich auf die eigene Erfahrung bei der Herstellung verlassen." Wobei sie sich auch an eigene Rezeptvarianten heranwagt. Zum Beispiel mit dem Pfefferkuchengewürz: Als es in der DDR-Zeit keines gab, hatte ihr eine Verkäuferin geraten, es selbst zu mischen. "Da ging ich ganz vorsichtig zu Werke", berichtet Ursula Flucke, "Vor allem mit der Pfeffermenge." Offensichtlich hat sie inzwischen das richtige Maß für die Gewürzmischung gefunden, denn die handtellergroßen Pfefferkuchen verlocken immer wieder zum Zugreifen. Durch die Bäckerei ihres Mannes kennt Ursula Flucke auch die dörflichen Eigenarten. In der Bäckerei Flucke wurden neben Brot und Brötchen vor allem Deckelplätzchen und Heidesand gebacken. Bis die Elektroherde aufkamen, wurden auch von den Hausfrauen die Bleche mit Plätzchen in die Bäckerei gebracht. Gerade in der Weihnachtszeit stand ihr Mann oft bis abends um sieben oder acht Uhr in der Backstube. Denn auch in Edersleben war es üblich, dass die Hausfrauen den fertigen Teig für die Wecken zum Bäcker brachten. "Acht bis zwölf Wecken pro Familie waren keine Seltenheiten", erinnert sie sich. "Schließlich wurden viele Wecken in den Westen geschickt." Für den Adventskalender hat Ursula Flucke Makronen ausgewählt.