Arzneimittelengpässe Arzneimittel in Apotheken knapp: Lieferengpässe bei Medikamenten

Eisleben/Hettstedt - „Es gibt zum Glück immer noch irgendwelche Alternativen und Lösungen“, sagt Apotheker Steve Raudenkolb mit Blick auf die Lieferengpässe bei Medikamenten. Blutdruckmittel, Antibiotika oder auch Schmerzmittel sind nur drei der über hundert Arzneimittel, die derzeit auf dem deutschen Markt nicht oder nur schwer zu bekommen sind, erklärt Raudenkolb, der in Eisleben die Glückauf-Apotheke und die Helpide-Apotheke betreibt.
Um die Versorgung für die Patienten dennoch zu gewährleisten, gehen die Apotheken verschiedene Wege: „Zum Teil bestellen wir die Medikamente direkt beim Hersteller und bevorraten uns gleich für mehrere Monate“, erklärt Raudenkolb.
Arzneimittelengpass: Austausch von Medikamenten mit Partnerapotheke
Zudem nutze man die Zusammenarbeit mit der eigenen Partnerapotheke, um sich im Notfall mit Medikamenten auszutauschen. Aber auch eine enge Zusammenarbeit und Absprache mit den behandelnden Ärzten sei derzeit wichtig.
Dann werde geprüft, ob eine veränderte Dosierung des Medikaments möglich sei, um so das Präparat langfristiger nutzen zu können. „Im Notfall muss eben auch ein komplett anderes Medikament verschrieben werden. Das ist aber eher selten“, sagt Raudenkolb.
Engpass an Medikamenten: Wirkstoffe fehlen
Die Ursache für den Lieferengpass liege dabei tief, nämlich in der Produktion und Bereitstellung bestimmter Wirkstoffe. Vor allem Candesartan und Urapidil - beides Bestandteile in Blutdruckmitteln - seien derzeit betroffen.
Produziert würden diese Wirkstoffe im asiatische Raum, erklärt Raudenkolb. „Allerdings dort nur ganz knapp und nicht auf Reserve“, sagt er. Ein Resultat aus der herrschenden Preispolitik, meint der Apotheker. Und führt weiter aus: „Die billigste Firma bekommt den Zuschlag.
Dabei leidet aber häufig die Qualität.“ Dass sich daran künftig etwas ändert, sieht Raudenkolb aber nicht. Erst Anfang des Jahrs habe es eine Gesetzesnovelle gegeben, die die billige Produktion bestärkt, sagt Raudenkolb. Er rechnet damit, dass die Zahl der Medikamente mit Lieferengpässen mittelfristig steigen wird.
260 Meldungen über Lieferengpässe für Humanarzneimittel
Maik Pommer, Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärt zudem, dass die Auslöser für einen Lieferengpass häufig Produktionsprobleme sein können.
Etwa, wenn Herstellungsprozesse umgestellt würden, aufgrund von Qualitätsproblemen Ware nicht freigegeben werden könne oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssten, sagt er: „Vor allem, wenn beispielsweise für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt nur wenige Hersteller vorhanden sind, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass entwickeln kann.“
Dem BfArM lägen aktuell rund 260 Meldungen über Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland vor, sagt Pommer. Insgesamt seien rund 103.000 Arzneimittel zugelassen. „Rund 100 der 260 Meldungen beziehen sich auf den Wirkstoff Valsartan.“
Lieferengpass bei Arzneimitteln: Alternative Arzneimittel stehen zur Verfügung
Ein Lieferengpass müsse aber nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein, betont Pommer. Da oftmals alternative Arzneimittel zur Verfügung stünden, könnten die Patienten dennoch sicher versorgt werden.
Das Institut prüfe bei gemeldeten Lieferengpässen, „ob und gegebenenfalls wie viele Alternativpräparate bei Produktionsproblemen verfügbar sind“. In enger Abstimmung mit Herstellern und ärztlichen Fachgesellschaften könnten „besondere Problemlagen rasch identifiziert und mögliche Lösungswege für die Patientenversorgung angestoßen werden“, sagt der Sprecher.
Lieferung von Medikamenten: Der Grund - Produktionsprobleme der Arzneien
Der Eisleber Apotheker Steve Raudenkolb sieht aber noch einen weiteren Grund für die Lieferengpässe. So gebe es Medikamente, die in Deutschland vorhanden sind, aber ins Ausland exportiert werden.
Das läge daran, weil die Preise auf dem deutschen Markt niedriger als auf dem ausländischen Markt - wie beispielsweise in England - seien, so Raudenkolb weiter. „Auch das betrifft Blutdruckmittel mit dem Wirkstoff Urapidil“, sagt er.
Lieferengpässe hat Susan Klimm von der Sangerhäuser Barbarossa-Apotheke aber auch bei Analgin, das bei Fieber und Schmerzen hilft, ausgemacht. „Analgin ist erst ab Ende Dezember, Anfang Januar wieder lieferbar“, sagt Klimm.
Ganz schlimm empfänden das ältere Patienten, die das Medikament aus DDR-Zeiten kennen. „Damals war es frei verkäuflich, jetzt ist es rezeptpflichtig“, so Klimm, die seit 1991 in ihrem Beruf als Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte arbeite. Als Ersatz empfehle man Berlosin, doch das sei „nicht so gewollt“. Auch die Kopfschmerzmittel Dolormin oder Dolormin extra gebe es erst ab Dezember wieder.
Hilfe aus anderen Apotheken
Die Sangerhäuser Barbarossa-Apotheke bezieht die meisten Medikamente von zwei Großhändlern aus Halle und Gotha sowie von vier, fünf weiteren Händlern. Einer der beiden Großhändler könne 63 Artikel seit September nicht liefern, sagt Klimm.
Um die Versorgung dennoch zu gewährleisten, rufe man in den Apotheken ringsum an. Sei dort das gewünschte Präparat vorrätig, besorge es die Apotheke und liefere es den Patienten nach Hause, teils bis in die Harzdörfer nach Rotha oder Horla, auch nach Kelbra, Roßla oder Allstedt.
Oder die Patienten gingen mit ihrem Rezept in die andere Apotheke, wo das Medikament vorrätig ist. Als letzte Möglichkeit bleibe dann nur noch der Anruf beim Hersteller. „Die Eillieferungen sind ein, zwei Tage später hier.“ Werde ein Präparat gebraucht, das in Deutschland nicht hergestellt wird, nutzen die Sangerhäuser einen anderen Weg.: „Wir haben Kontakt zu einer internationalen Apotheke in München, über die wir Medikamente aus dem Ausland bestellen können“, sagt Susan Klimm.
Grippe- und Erkältungszeit: Versorgung mit Grippeimpfstoff klappt
Mit Blick auf die nasskalten Herbsttemperaturen und der damit einhergehenden Grippe- und Erkältungszeit kann Apotheker Steve Raudenkolb aber zumindest Entwarnung geben. „Die Versorgung mit dem Grippeimpfstoff hat bisher wunderbar funktioniert.
Die Ärzte konnten damit beliefert und versorgt werden“, sagt er. Und auch in den Apotheken sei der Impfstoff vorrätig vorhanden. Ebenso sehe Raudenkolb auch kein Problem bei handelsüblichen Erkältungsmitteln. (mz)