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An ALS erkrankter Eisleber An ALS erkrankter Eisleber: Tätowierer erfüllt einen besonderen Geburtstagswunsch

Von Jörg Müller 16.03.2016, 14:49
Marcel Marx tätowiert Jens Zeddel den Unterarm. Annett Zeddel hat ihren Mann lange Zeit gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter gepflegt.
Marcel Marx tätowiert Jens Zeddel den Unterarm. Annett Zeddel hat ihren Mann lange Zeit gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter gepflegt. Jürgen Lukaschek

Eisleben - Jens Zeddel ist gelähmt, er kann nicht mehr sprechen, muss beatmet und künstlich ernährt werden. Der Eisleber leidet an ALS, einer unheilbaren Nerven- und Muskelkrankheit, die über kurz oder lang zum Tod führt. Wie viel Zeit ihm noch bleibt, kann niemand sagen. Im Februar ist der Schwerkranke 44 Jahre alt geworden - und zu diesem Geburtstag hat er jetzt ein besonderes Geschenk bekommen: ein Tattoo. „Er hat sich das gewünscht“, sagt seine Frau Annett Zeddel (43).

Ein Arbeitskollege und Freund der Familie, Christian Gabriel, vermittelte den Kontakt zu Marcel Marx vom Tattoostudio „Unbroken“ aus Hackpfüffel. „Es war nicht so einfach, jemanden zu finden, der sich darauf einlässt“, sagt Annett Zeddel. Schließlich sei es ja eine spezielle Situation, einen Schwerkranken zu tätowieren. „Ich habe so etwas auch noch nicht gemacht“, sagt Marx, „das ist aber kein Problem für mich.“ Er tätowierte Zeddel ein mehrfarbiges Motiv mit einem Auge, einem Uhrwerk und einer Seerose auf den Unterarm. Und weil ihn das Schicksal seines Kunden natürlich auch sehr berührt, arbeitete er auf eigene Kosten - sozusagen sein Geburtstagsgeschenk für Zeddel. „Der Mann tut mir leid“, so Marx.

Idee der Pflegerin

Wie ist es zu der Aktion gekommen? „Mein Mann hat schon mehrere Tattoos“, sagt Annett Zeddel. Sie und die Mitarbeiterinnen des CPD Intensivpflegedienstes München, die ihn seit Jahresanfang rund um die Uhr zu Hause betreuen, verständigen sich mit ihm vor allem über seine Mundbewegungen. Öffnet er den Mund, sagt er „Ja“, beißt er die Zähne aufeinander, heißt das „Nein“. Und so konnte er auch den Tattoo-Wunsch zum Ausdruck bringen. Wie Annett Zeddel erzählt, hatte sich eine der Pflegerinnen tätowieren lassen. Und weil sie ihren Mann natürlich gut kennt, sagte sie zu ihm: „Du würdest auch gern noch einmal ein Tattoo haben, oder?“

Angefangen hat die Krankheit Anfang 2011: Jens Zeddel stürzte plötzlich immer mal. Dann sei alles sehr schnell gegangen, berichtet seine Frau: Im Mai 2011 benötigte er zum Laufen einen Gehstock, im August einen Rollator, und im Dezember saß er schon im Rollstuhl. Die Diagnose ALS sei aber erst 2012 bei Untersuchungen im Universitätsklinikum Magdeburg gestellt worden. Bis dahin sei die Ursache der Störungen nicht klar gewesen. „Die Ärzte haben einen Zeckenbiss vermutet“, so Annett Zeddel, die als Betreuerin bei den Mitteldeutschen Werkstätten (Lebenshilfe) arbeitet. Auch ihr Mann war dort vor seiner Krankheit als Fahrer beschäftigt. Das Ehepaar, das einen siebenjährigen Sohn hat, hat vor der ALS bereits einmal eine schwere Zeit durchgemacht: 1998 war Jens Zeddel an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Mit Operation, Chemotherapie und Bestrahlung konnte er den Krebs besiegen.

Krankheit schubweise fortgeschritten

„Die Diagnose ALS war natürlich ein Schock“, sagt die 43-Jährige. Die Krankheit sei schubweise fortgeschritten, „es ist immer mehr verloren gegangen“. Lange Zeit haben sie und ihre Schwiegermutter Gisela Heine sich die Pflege geteilt. „Ich bin aber immer weiter arbeiten gegangen, das war uns wichtig.“ Mittlerweile können die beiden Frauen die Pflege aber nicht mehr leisten. Deshalb sind nun die Mitarbeiterinnen des Spezial-Pflegedienstes jeweils in Zwölf-Stunden-Schichten im Einsatz. „Die Betreuung ist sehr gut“, sagt Annett Zeddel. Sie steht ihrem Mann, so gut es geht, zur Seite. „Wir sehen zu, dass Jens möglichst nie allein ist.“ Natürlich gebe es auch immer wieder Phasen, in denen er deprimiert sei. Dann versuche sie, ihn aufzumuntern. „Ich sage ihm, er soll sich nicht so hängen lassen.“ Das Tätowieren hat Jens Zeddel jedenfalls sehr gut getan. „Wir haben schon verabredet, dass er noch ein Tattoo bekommt“, so Marx. (mz)

ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) ist eine unheilbare, fortschreitende Erkrankung des Nervensystems. Sie führt zu Spastiken, Muskelschwund und Lähmungen. Betroffen sind zunächst die Gliedmaßen, später auch die Schluck-, Sprech- und Atemmuskulatur. Die Ursache von ALS ist unklar. Die mittlere Überlebenszeit nach dem ersten Auftreten der Symptome beträgt etwa drei bis fünf Jahre. Es gibt allerdings auch eine chronische Form der ALS, die sehr langsam verläuft. Bekanntester Patient ist der britische Physiker Stephen Hawking (74), bei dem 1963 ALS diagnostiziert wurde.