Ein Koffer bleibt hier Ein Koffer bleibt hier: Amberg statt Anhalt - Andreas Erb verlässt Landeshauptarchiv in Dessau

Dessau - „Ja, ich habe etwas länger gebraucht, mich hier heimisch zu fühlen“, gibt Andreas Erb unumwunden zu. Schnell merkte der gebürtige Rheinland-Pfälzer, als er im Oktober 2008 die Leitung der Dessauer Abteilung des Landeshauptarchivs übernahm, dass die Bewohner an Elbe und Mulde anfangs recht distanziert sind. Aber umso besser sie jemanden kennen, desto inniger ist die Zuneigung.
Viele Freunde und Weggefährten hat der promovierte Historiker in seinen über zwölf Jahren in der Bauhausstadt gefunden. Trotzdem setzt er jetzt einen Schlusspunkt unter sein Dessauer Kapitel und zieht beruflich weiter. „So wohl ich mich hier auch gefühlt habe, nach dieser Zeit brauche ich einfach einen Tapetenwechsel“, sagt Erb im MZ-Gespräch.
Ab dem 1. März übernimmt der 51-Jährige die Leitung des Stadtarchivs im bayerischen Amberg. Die Leitungsstelle in Dessau wird ausgeschrieben. Kommissarisch übernimmt seine Stellvertreterin Anke Boeck.
Stelle in Amberg ist für Erb eine indirekte Rückkehr zu den heimatlichen Wurzeln
Für Erb ist die Stelle in Amberg eine kleine indirekte Rückkehr zu seinen heimatlichen Wurzeln. „In der Pfalz bin ich aufgewachsen, jetzt gehe ich in den bayerischen Teil der Pfalz, in die Oberpfalz“, so Erb. Als Historiker und Archivleiter will er dort auch zur Stadt- und Landesgeschichte forschen. Schon in seiner Dissertation war die Geschichte dieser Region Untersuchungsgegenstand.
Doch völlig kehrt er Dessau und Anhalt nicht den Rücken. Er wird in verschiedener Weise noch einen Koffer in der Stadt haben. Den Kontakt zu liebgewonnenen Freunden gilt es zu halten. An der Hochschule Anhalt hat er Lehraufträge im Fachbereich Denkmalpflege. Die will Erb auch in Zukunft wahrnehmen. Zudem ist er auch nach über zwölf Jahren noch immer neugierig auf die Geschichte Anhalts. „Ich werde dazu weiter forschen, publizieren und auch in der Region Vorträge halten“, kündigt der bisherige Leiter der Dessauer Abteilung des Landeshauptarchivs an.
Doch anhaltische Geschichte ist nicht nur für Anhalt interessant. „Neben zahlreichen Vorträgen in und rund um Dessau habe ich dazu unter anderem auch in München, Stuttgart und Berlin referiert“, erzählt der Archivar. Die anhaltischen Fürstentümer waren wichtige Treiber der Aufklärung. Mit Katharina von Zerbst saß eine der ihren sogar auf dem russischen Thron. Auch das Dessau-Wörlitzer Gartenreich, Junkers und das Bauhaus haben überregionale und internationale Strahlkraft.
Akten im Alten Wasserturm in Dessau haben unendlich viele Geschichten zu erzählen
Die Akten im Alten Wasserturm, dem Sitz der Dessauer Abteilung des Landeshauptarchivs, haben unendlich viele Geschichten über die Region zu erzählen. Erb und sein Team arbeiten beständig daran zu sichten, zu klassifizieren und Datenbankeinträge vorzunehmen, so dass Interessierte und Forscher aus aller Welt Informationen daraus ziehen können.
Aus Deutschland, Europa, Kanada und Australien recherchieren Menschen in den Datenbanken des Archivs und studieren meist auch im Alten Wasserturm die Akten vor Ort. Manchmal ist das Aktenstudium eine Suche nach den eigenen Wurzeln. Oft interessieren sich aber Historiker, Kunsthistoriker, Heimatforscher und Musikwissenschaftler für die Bestände, um Forschungsarbeiten, Dissertationen oder sonstige Publikationen zu verfassen.
Für Erb als Archivar ist es immer wieder eine Freude, dabei helfen zu können. Vom Klischee des menschenscheuen Eigenbrötlers, der im Keller zwischen Bergen von Akten verschwindet, hat Erb noch nie viel gehalten. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Leben in den Akten ist. Wir als Archivare helfen, diese Schätze zu heben.“
Neue Sichten kennengelernt - Auch und gerade auf den Osten
Nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte in Mannheim und einem Archivpraktikum in Brandenburg, wusste er, dass er in der Arbeit in Archiven Erfüllung finden wird. In Sachsen machte er sein Archivreferendariat. Nach Stationen in Dresden, Freiberg und Chemnitz als Referent zog es ihn im Herbst 2008 nach Dessau.
Die Zeit in Sachsen und Dessau war auch auf andere Weise lehrreich für ihn. „Ich habe hier neue und andere Perspektiven und Einsichten kennengelernt“, so Erb. Er habe gelernt, den Osten zu verstehen und zu schätzen. Deshalb war der letzte Arbeitstag am Mittwoch auch ein emotionaler Abschied. (mz)