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Zum Kursende wird die Zeitung gelesen

Von Sylke Kaufhold 26.03.2007, 18:17

Dessau/MZ. - Deutsch sprechen können die Männer aus Russland und dem Irak sowie die Frau aus China schon recht gut. Aber lesen und schreiben nicht. "In ihren Heimatländern sind sie gebildete Leute gewesen", erzählt die Dozentin Bärbel Schlee. Hier aber, in ihrer neuen Heimat, konnten sie bisher nicht einmal ein Straßenschild entziffern, einen Antrag ausfüllen oder gar eine Zeitung lesen. Das ist jetzt anders. In 600 Stunden lernten sie die deutsche Sprache in Wort und Schrift. "Es ist wirklich erstaunlich, was die Sieben geleistet haben", lobt die Dozentin ihre Schützlinge. Denn das erste deutsche Wort zu schreiben, habe sie richtig Kraft gekostet, weiß sie.

Es ist der zweite Alphabetisierungskurs, den Inlingua für Ausländer anbietet. Es ist quasi ein modifizierter Integrationskurs, wie sie seit Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes im Januar 2005 Ausländern angeboten werden. "Die Zuwanderer kommen mit ganz unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, einigen fehlt die Lernerfahrung, andere können die lateinischen Buchstaben weder schreiben noch lesen, wieder andere können dies auch in ihrer Muttersprache nicht", erörtert Martina Becker, pädagogische Leiterin der Inlingua-Sprachschule. Bisher allerdings fehlten die Voraussetzungen, solche Alphabetisierungskurse anzubieten. Es gab keinen Lehrplan, keine Unterrichtsmaterialien, teilweise auch keine geeigneten Lehrer. "Im vorigen Jahr wurden die Rahmenbedingungen verbessert, so dass diese Kurse möglich sind." Die Teilnehmer sind dankbar dafür und stürzen sich hoch motiviert in die für sie ungewohnte und schwierige Lernarbeit. "Wenn sie dann das erste Wort an die Tafel schreiben können, ist das ein großes Erlebnis für sie", freut sich Bärbel Schlee über die Fortschritte ihrer Schützlinge. Damit der Unterricht auch Spaß macht, führte die Dozentin ihre Schüler auch in die Bibliothek, wo sie sich zunächst an Kinderbüchern versuchten. Aber auch die Mitteldeutsche Zeitung wurde am Kursende schon gelesen. "Wichtig ist es doch, dass die Teilnehmer auch Erfolgserlebnisse haben, damit sie den Spaß nicht verlieren", so Bärbel Schlee.

"Ideal wäre es, wenn die Sieben jetzt mit dem normalen Basiskurs weitermachen könnten", so Martina Becker. "Wenn sie jetzt nicht weiter gefördert werden, verlernen sie vieles wieder." Denn ein Großteil von ihnen habe keine Arbeit, werde also nicht gezwungen, sich mit der Sprache auseinander zu setzen. Doch die zur Verfügung stehenden und finanzierten Sprachstunden sind mit dem Alphabetisierungskurs aufgebraucht.