Wie eine Familie Wie eine Familie: Kleinsteinrichtung in Dessau für Kinder die nicht bei den Eltern leben können

Dessau - Es ist eine hübsche Eigenheimsiedlung in Ziebigk, idyllisch gelegen, ruhig, nett anzusehen. Ein Kinderheim vermutet man hier nicht. Und doch gibt es hier ein solches. „Kleinsteinrichtung“ des Paritätischen Sozialwerkes steht auf dem Klingelschild.
Zwei nette junge Frauen begrüßen die Besucherin, führen sie ins Wohnzimmer, bieten Kaffee an. Spielzeug steht in der Ecke, selbst gemalte Bilder an den Wänden - hier sind Kinder zu Hause.
Fünf Jungen und Mädchen im Alter von einem bis sechs Jahren leben derzeit in dem gemütlichen Einfamilienhaus. Ohne ihre Eltern. Betreut werden die Kinder von Babette Niemann und den anderen Erzieherinnen des kleinen Teams. Fünf an der Zahl.
Im Oktober 2019 wurde die Kleinsteinrichtung als Außenstelle des Kinderheimes eröffnet
Im Oktober 2019 wurde die Kleinsteinrichtung sozusagen als Außenstelle des Kinderheimes eröffnet. Die neue Einrichtung im Verbund des Paritätischen Sozialwerkes bietet verhaltensauffälligen und bindungsgestörten Kindern, die nicht bei ihren Eltern leben können, ein Zuhause.
Es ist ein familienähnliches Verhältnis, das die fünf Kinder und jeweils zwei diensthabenden Erzieherinnen haben. „Unsere Schützlinge brauchen Bindung und Aufmerksamkeit noch mehr als die Heimkinder“, erklärt Babette Niemann. Der Kontakt zu den leiblichen Eltern sei trotz der Probleme sehr eng. Denn langfristiges Ziel sei die Rückkehr der Kinder in ihre Familien.
Bis dahin sorgt das kleine Frauenteam für so viel Normalität wie möglich. Die Kinder gehen in die Kita, besuchen Sportvereine, spielen am Nachmittag, machen Ausflüge, fahren in den Urlaub. „Die Kinder können hier ganz anders aufwachsen als im großen Heim“, sagt Sarah Müller.
„Es ist eine tolle Aufgabe hier, wo man viel bewirken kann“
Sie fände es deshalb schön, wenn es mehr solcher kleinen Einrichtungen gäbe. Erziehermangel und die Arbeitszeit in der Sieben-Tage-Woche im Schichtdienst erschwerten dies aber. Zweimal in der Woche haben die Erzieherinnen Nachtdienst in der Einrichtung. Wochenende, Feiertage - „wir sind da“, sagen beide - und strahlen dabei.
„Es ist eine tolle Aufgabe hier, wo man viel bewirken kann“, findet Babette Niemann. Die 35-Jährige hat zuvor zehn Jahre im Kinderheim gearbeitet. Auch Sarah Müller schwärmt. „Man kann sich hier verwirklichen, wir können gemeinsam etwas aufbauen.“ Man bekomme sofort und unmittelbar das Feedback von den Kindern. „Wenn sie sich freuen, ist das für uns der schönste Dank“, so die 30-Jährige.
Das Haus mit seinen vier Etagen ist vom Keller bis zum Dach ein Kinderhaus. Ein kleiner Sportraum und eine Kuschel-Lese-Ecke sind im Keller zu finden. Die Zimmer der Kinder - drei Einzel- und ein Doppelzimmer - verteilen sich auf den Etagen. Sie sind liebevoll eingerichtet und bunt gestaltet. „Die Kinder sollen sich wohlfühlen in ihren Zimmern und einen Rückzugsort haben“, erklärt Babette Niemann.
Bescherung ist wie in jeder Familie am 24. Dezember
Die Zimmergestaltung ermöglicht haben die Dessauer Wirtschaftsjunioren. Sie haben im Sommer, als die Gruppe eine Woche im Urlaub war, die Zimmer, Flur und Keller renoviert und gestaltet. „Die Farben und Themen für die Kinderzimmer haben wir vorher mit den Kindern abgesprochen“, berichtet Niemann. So hat jetzt jeder sein ganz individuelles Zimmer.
Gespielt werden kann aber auch auf den Fluren. Dank der Unterstützung der Allianz-Generalvertretung von Joachim Müller in Roßlau und dem Allianz Kinder Treuhandfonds gingen für das Team viele Wünsche in Erfüllung. Spielzeug, Ausstattung, Fachliteratur im Wert von über 2.000 Euro konnten angeschafft werden.
„Das hat uns unheimlich geholfen, das Haus für unsere Arbeit mit den Kindern zu optimieren“, freuen sich Babette Niemann und ihre Kolleginnen. Und auch die ersten Weihnachtsgeschenke liegen damit schon im Schrank. Bescherung ist wie in jeder Familie am 24. Dezember. (mz)
