Wenn Fiffi in Not ist Wenn Fiffi in Not ist: Dessau-Roßlaus Tierärzte bieten nächtlichen Bereitschaftsdienst

Dessau - Gegen 19.30 Uhr machen sich Waltraut W. und ihre Püppi auf zur abendlichen Hunderunde. Püppi kennt den Weg und springt übermütig vor ihrem Frauchen hin und her - und auf die Straße. Bremsen quietschen. Und Püppi liegt blutend unter dem Auto. Was nun?
Für diesen und andere Notfälle haben Dessau-Roßlaus Tierärzte seit Mitte Februar auch wochentags eine Rufbereitschaft eingerichtet. Montags bis Donnerstag, von 19 bis 7 Uhr, übernimmt jeweils eine Praxis diesen Dienst.
Alle acht Tierarztpraxen der Doppelstadt beteiligen sich daran. Kleine Ausnahme: Dr. Kirsten Osterland in Rodleben übernimmt die Bereitschaft für die Großtiere. Einen Notfalldienst an den Wochenenden gibt es bereits seit vielen Jahren, erklärt Tierärztin Christina Risse, Inhaberin der Kleintierpraxis Wolf.
Ausschlaggebend für die Ausweitung der Bereitschaft ist die Tierklinik in Wittenberg gewesen
Ausschlaggebend für die Ausweitung der Bereitschaft auf die Wochentage sei die Tierklinik Wittenberg gewesen, die Ende vorigen Jahres ihren Status als Tierklinik vorübergehend, bis November 2018, abgegeben hat, so Risse. Was bedeutet, dass die Klinik nicht mehr das gesamte Jahr über eine 24-Stunden-Dienstbereitschaft anbietet.
„Die Tierärztekammer Sachsen-Anhalt hatte daraufhin angeregt, in Dessau-Roßlau in der Woche Notfalldienste einzurichten“, erklärt Christina Risse. Die Praxisärzte nahmen den Vorschlag auf und organisierten ein Bereitschaftssystem. „Es ist ein zusätzlicher Service für die Tierhalter“, betont Risse. In vielen Praxen arbeitete nur ein Tierarzt und eine Helferin, „da ist eine Bereitschaftsnacht eine echte Herausforderung“. Denn der Praxisbetrieb am nächsten Tag müsse ja wie gewohnt laufen.
Um die Belastung für die Praxen im Rahmen zu halten, werde der Notfalldienst als Rufbereitschaft angeboten. „Das heißt, wir sind nicht die ganze Nacht in der Praxis, sondern kommen, wenn wir angefordert werden.“ Welcher Arzt Bereitschaft hat, das erfährt der Tierhalter über die Rettungsleitstelle der Stadt (0340/8 50 50 40), die er im Notfall als erstes anruft. „Dort erfährt er die Nummer des diensthabenden Tierarztes, den er danach anruft “, so Christina Risse.
Nicht jede Unpässlichkeit des Tieres ist ein Notfall
Aber nicht jede Unpässlichkeit des Tieres ist ein Notfall und erfordert eine sofortige Behandlung, bittet die Ärztin an dieser Stelle um Besonnenheit. Bei starken Schmerzen, hohem Fieber, starken Blutungen, Lähmungserscheinungen, Atemnot oder wenn das Tier nicht ansprechbar ist, sei aber schnelle Hilfe erforderlich.
Das nächtliche Bereitschaftsteam besteht aus einem Arzt und einer Helferin. „Wir können deshalb nicht jede Operation durchführen“, macht Christina Risse aufmerksam. Einige Eingriffe erforderten mehr Personal, auch decke nicht jede Praxis das gesamte medizinische Spektrum ab und nicht zuletzt braucht es auch eine Aufnahmestation für den Patienten, die nicht jede Praxis hat.
„Wir leisten aber in jedem Fall Erste Hilfe und bannen die akute Gefahr.“ Zur weiteren Behandlung würden schwere Fälle in die Klinik überwiesen - für die Dessau-Roßlauer liegt die nächste - solange die Wittenberger ihren Status nicht wiederhat - in Leipzig oder Panitzsch im Landkreis Leipzig. Denn in Sachsen-Anhalt gibt es aktuell keine einzige Tierklinik mehr, die eine 24-Stunden-Dienstbereitschaft realisieren kann.
Zwei- bis dreimal höherer Gebührensatz für den Notdienst
In vielen Städten, weiß Christina Risse, gibt es auch keine Notfallbereitschaft, weder an den Wochenenden noch in der Woche. Die Gründe für den Klinik- und Bereitschaftsdienstnotstand, den es in ganz Deutschland gibt, liegen in den Rahmenbedingungen, unter denen Kliniken und Praxen arbeiten - Mindestlohn, Arbeitszeitgesetz, Gebührenhöhe und -akzeptanz sowie Wirtschaftlichkeit sind die wichtigsten Schlagworte.
Die Dessauer Tierärztin bestätigt, dass die Bereitschaftsdienste für jede einzelne Praxis nur schwer zu schultern sind. Weil zusätzliches Personal nicht bezahlbar ist, gehen sie zu Lasten des vorhandenen. Und das, obwohl von den Tierhaltern für die Inanspruchnahme des Notdienstes, abhängig vom Zeitaufwand und der Schwierigkeit der Leistung, das Doppelte bis Dreifache des normalen Gebührensatzes zu zahlen ist. (mz)
Den Tierarzt-Notdienst sollten Tierhalter bei folgenden Symptomen und Situationen rufen:
Nach einem Autounfall, wenn der Verdacht auf innere Verletzungen, Blutungen oder Frakturen besteht. Wenn die Katze in einem angekippten Fenster steckengeblieben ist.
Bei dem Verdacht einer Vergiftung, bei starkem Erbrechen und Durchfall, bei Katzen, die plötzlich keinen Urin mehr absetzen können und schreien, bei Bissverletzungen, Risswunden und sonstigen großen Wunden oder bei einem Hitzschlag, wenn Tiere zum Beispiel im Auto eingesperrt waren.
Gefahr besteht auch, wenn Kaninchen und Meerschweinchen seit 24 Stunden nichts gefressen haben. Um einen lebensbedrohlichen Notfall kann es sich außerdem handeln, wenn es dem Tier akut sehr schlecht geht, bei starken Schmerzen, hohem Fieber oder Untertemperatur, wenn das Tier nicht ansprechbar ist, bei Atemnot, plötzlichen Lähmungserscheinungen oder wenn es auf der Seite liegt.