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Vorsicht und Sorglosigkeit Vorsicht und Sorglosigkeit: Roßlauer Händler berichten von ihrem Umgang mit Corona

Von Heidi Thiemann 03.08.2020, 07:47
Steht oft alleine im Laden, ihre Mitarbeiter sind zum Teil noch in Kurzarbeit: Ines Schuck aus Roßlau.
Steht oft alleine im Laden, ihre Mitarbeiter sind zum Teil noch in Kurzarbeit: Ines Schuck aus Roßlau. Thomas Ruttke

Roßlau - Mittagszeit in Roßlau. Die Sonne lacht und im Eiscafé von Antonio Palermo lassen sich die Gäste kühle Erfrischungen schmecken. „Es ist fast wie vor Corona“, sagt der Roßlauer Unternehmer. Aber nur fast.

Das Leben ist zurückgekehrt in das Handelsquartier im Dreieck Hauptstraße, Karl-Liebknecht-Straße, Schillerplatz. Zum Teil aber noch verhalten, findet Ines Schuck. Seit 20 Jahren ist sie selbstständig, verkauft Schuhe - neben Roßlau auch in Aken, Gräfenhainichen und Wittenberg - und kämpft um ihre Geschäfte.

Als sie die Läden im Frühjahr für fünf Wochen dicht machen musste, brach für sie eine Welt zusammen, war sie wie gelähmt. „Ich kam mir vor wie in einem Science-Fiction.“ Nur, nirgends war ein Ausknopf, wo sie den Film beenden konnte.

Lieferdienst für die Früh- und Sommerkollektion

Gruselig seien die ersten Tage gewesen, doch dann habe sie nach einer Woche allen Mut zusammengerafft, sich gesagt, alles sei besser als Null und mit Hilfe von Familie, Freunden und Mitarbeitern einen Lieferdienst eingerichtet. Die Früh- und Sommerkollektion war schließlich geliefert, das Lager voll.

Publik hat sie das vor allem über soziale Netzwerke gemacht. Selbst freitagabends habe sie sich für ein paar Einlegesohlen auf den Weg gemacht. „Das war nicht schlimm“, sagt sie. Im Gegenteil.

Der Umsatz in den fünf Wochen? Sieben Prozent des Üblichen - aber eben mehr als Null. Und: Sie hat dadurch nicht nur viele Stammkunden beliefern, sondern auch neue Kunden gewinnen können. Dass in der Stadt dafür geworben wurde, lokal zu kaufen und nicht übers Internet, das, sagt Schuck dankbar, habe sich auch bei ihr bemerkbar gemacht.

Einkaufen mit Maske bereitet den Kunden weniger Spaß

Doch das in den fünf Wochen nicht Verkaufte jetzt noch an den Mann und die Frau bringen, wo die Geschäfte längst wieder geöffnet sind? Es ist schwer, so die Unternehmerin. Sie merkt an ihrer Kundschaft, dass das Einkaufen mit Maske weniger Spaß bereitet, dass viel weniger Menschen in den Urlaub fahren und deshalb auch weniger nach passendem Schuhwerk geschaut wird. Um die Einbußen aufzufangen, steht sie beispielsweise samstags allein im Geschäft. Anfangs waren alle zwölf Mitarbeiter in Kurzarbeit, zum Teil sind sie es heute noch.

Im Frühjahr, kurz bevor Corona den Handel weitgreifend lahm legte, hatte sie bereits die Herbst-/ Winterkollektion geordert. Stornieren ging nicht mehr. Die erste Ware kommt jetzt an. Und was wird aus der Frühjahrs-/Sommerware? Die Unternehmerin hofft auf den Schlussverkauf, ansonsten kommt alles ins Lager. Die Bestellungen fürs nächste Jahr würde dann geringer ausfallen. „Ich muss jetzt noch mehr gucken und rechnen“, erklärt sie.

Auf 80 Prozent, schätzt Antonio Palermo, sei das Geschäft wieder hochgefahren

Schuck hatte Soforthilfe beim Land beantragt, die auch bekommen, aber erst als die Läden wieder offen waren. Geschäftspartner haben Corona-Pakete aufgelegt. Sie komme durch, sagt die Geschäftsfrau, doch sie hat Angst vor einer zweiten Welle.

Diese Angst hat auch Antonio Palermo. Auch bei ihm war Kurzarbeit angesagt , „jetzt aber nicht mehr“. Die Gäste kommen wieder, „aber sind vorsichtiger“, hat er beobacht. Auf 80 Prozent, schätzt er ein, sei das Geschäft wieder hochgefahren. Er will nicht klagen. Denn der Italiener findet: „In Deutschland geht es den Menschen gut.“

Er kennt auch die andere Seite: Italien, Spanien, wo die Corona-Auswirkungen und Beschränkungen um ein Vielfaches härter waren. Er hat von der Corona-Soforthilfe von Stadt und Land profitiert. „In Italien bekommt man nur einen Kredit, den man voll zurückzahlen muss“, erklärt er.

Vier von Palermos Angehörigen in Italien waren an Corona erkrankt

Vier von Palermos Angehörigen in Italien waren an Corona erkrankt, einer lag auf der Intensivstation. Zum Glück sind alle wieder gesund. „Das Wichtigste ist es, gesund zu bleiben“, sagt er deshalb. „Der Rest ist egal.“ Dass er beispielsweise sein neues Café „Antonio“ in der Dessauer Ratsgasse nicht im August, sondern erst im September eröffnen kann, sei dann so.

Die Firmen haben Lieferschwierigkeiten, jetzt ist Urlaubszeit. „Man muss es so nehmen“, zuckt er die Schultern. Vielleicht, sagt er, hat Corona die Menschen vielfach auch zum Nachdenken angeregt, über das, was wirklich zählt im Leben.

Dass aber die Kundschaft oftmals leichtsinnig ist, die Gefahr unterschätzt, das findet Mandy Kaut, die am Handelsplatz in der Magdeburger Straße ihr Geschäft „Blumen ohne Ende“ betreibt. „Die Leute nehmen das nicht für bare Münze. Für die ist Corona weit weg“, ist sie besorgt über die Sorglosigkeit. Denn: „Man weiß ja nie, was noch kommt.“

„Jetzt versuchen wir wieder alles ein Stück weit in die Normalität zu führen“

Auch Kaut hatte, als coronabedingt ihr Geschäft geschlossen bleiben musste, einen Lieferdienst eingerichtet, ihre vier Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. „Jetzt versuchen wir wieder alles ein Stück weit in die Normalität zu führen“, erzählt sie, dass die Geschäfte wieder einigermaßen okay liefen. Wichtig sei, dass das Team mit den Mitarbeitern gut funktioniere. Und das mache es.

Froh ist sie zudem, „dass uns unsere Kunden im Großen und Ganzen erhalten geblieben sind“. Und noch etwas hat Kaut in den zurückliegenden Corona-Wochen gelernt: „Hilf dir selber, dann ist dir geholfen.“ Auf die Behörden warten? Das, sagt sie, daure alles zu lange. (mz)

Antonio Palermo hat festgestellt, dass viele Gäste seines Eiscafés vorsichtiger geworden sind.
Antonio Palermo hat festgestellt, dass viele Gäste seines Eiscafés vorsichtiger geworden sind.
Lutz Sebastian
Patricia Niemann vom Geschäft „Blumen ohne Ende“ in der Magdeburger Straße. Ihre Chefin Mandy Kaut sagt, viele Kunden seien sorglos.
Patricia Niemann vom Geschäft „Blumen ohne Ende“ in der Magdeburger Straße. Ihre Chefin Mandy Kaut sagt, viele Kunden seien sorglos.
Ruttke