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Vor 25 Jahren Vor 25 Jahren: Magnetbandfabrik-Mitarbeiter stimmen gegen Stasi und Kampfgruppen

Von Carla Hanus 05.12.2014, 21:23
Eine der Stimmzettelboxen aus der Magnetbandfabrik von 1989 dient im Bürgerbüro als Spendenbox für das Glockenspiel.
Eine der Stimmzettelboxen aus der Magnetbandfabrik von 1989 dient im Bürgerbüro als Spendenbox für das Glockenspiel. Sebastian Lizenz

Dessau - Das Votum der Belegschaft war eindeutig. Auf mehr als 97 Prozent der Stimmzettel stand jeweils ein Ja hinter den drei Forderungen, die am 6. Dezember 1989 - und damit exakt vor 25 Jahren - den Mitarbeitern in der Magnetbandfabrik (MBF) gestellt worden waren. 1 115 Mitarbeiter befürworteten das Verbot jeglicher haupt- und nebenamtlicher Parteiarbeit während der Arbeitszeit für alle Parteien und gesellschaftlichen Organisationen außer Gewerkschaften. 1 119 verlangten die sofortige Auflösung der Kampfgruppen, die in der Magnetbandfabrik stationiert waren, die Verschrottung aller Waffen und öffentliche Rechenschaft über deren Verbleib vom Volkspolizeikreisamt. 1 120 kreuzten das Ja hinter dem Satz: „Ich bin gegen eine Dienststelle des ,Amtes für nationale Sicherheit’ (Staatssicherheit) in der MBF“ an. Die Beteiligung an dieser Abstimmung betrug rund 69 Prozent. Was aber darauf zurückzuführen sei, dass die Abstimmung innerhalb von 24 Stunden und damit in drei Schichten durchgeführt wurde. Gearbeitet wurde aber in vier Schichten, „eine hatte da immer frei“, erklärt Lothar Ehm, einer der Initiatoren dieser demokratischen Befragung.

Lethargie nach Wende 1989

Diese war in wenigen Tagen vorbereitet worden. Lothar Ehm, Ottmar Bier und Georg Döring hatten Anfang Dezember eine gewisse Lethargie in der politischen Wende des Herbstes 1989 ausgemacht. Durch die Öffnung der Grenze waren viele Aktivitäten in eine Ruhephase getreten, die Teilnahme an den Friedensgebeten war deutlich geringer. „Wir aber wollten politisch etwas bewegen“, erinnert sich Ehm, wie die Idee am Sonntag vor dem Wahltag entstand. Sie befanden die drei Entscheidungen als richtungweisend für die weitere Arbeit im Betrieb. Etwa ein Dutzend Helfer fertigte Plakate, eine Wahlordnung und die Stimmzettel für insgesamt stimmberechtigte 1 665 Mitarbeiter, „bauten“ aus aufgeschnittenen Fässern Wahlkabinen und aus Plexiglas Wahlurnen und betreuten an drei Standorten die von der Betriebsleitung genehmigte Abstimmung.

Noch in der Wahlnacht wurden übrigens die Waffen und Munition von fünf Hundertschaften der Kampfgruppen zum Volkspolizeikreisamt gebracht, die später zerstört und zur Friedensglocke eingeschmolzen wurden. (mz)

Magnetbandfabrik-Mitarbeiter stimmen gegen Stasi und Kampfgruppen