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Nach Polizeikontrolle und fehlender „Sondergenhmigung“ Verwirrung um Fahrradstraße in Dessau-Waldersee - Wer darf hier durchfahren?

Nach einer Polizeikontrolle im Birnbaumweg herrscht Unsicherheit, wer dort eigentlich entlangfahren darf. Anwohner und Kunden sind verunsichert. Dabei ist die Lösung nicht kompliziert.

Von Oliver Müller-Lorey und Danny Gitter 19.04.2022, 16:00
Der Birnbaumweg ist eine Fahrradstraße, Autofahrer mit einem Anliegen dürfen sie aber trotzdem benutzen.
Der Birnbaumweg ist eine Fahrradstraße, Autofahrer mit einem Anliegen dürfen sie aber trotzdem benutzen. Foto: Thomas Ruttke

Waldersee/MZ - Seit Anfang der Woche steht das Telefon von Rudolf Göricke nicht mehr still. Und das liegt nicht nur an der gerade begonnenen Pflanzzeit. Denn statt Auskunft über den richtigen Rosenschnitt oder winterharte Obstbäume zu geben, muss der Inhaber einer Baumschule in Waldersee immer wieder Nachhilfe in Sachen Straßenverkehrsordnung erteilen.

Grund: Es herrscht seit einer Meldung im Polizei-Report des Anhalt Kuriers vergangene Woche Verwirrung über die straßenverkehrsrechtliche Situation im Birnbaumweg, wo Göricke seine Gärtnerei betreibt.

Fahrradstraße ist eigentlich nur für Radler da

Der schmale asphaltierte Weg ist als sogenannte Fahrradstraße ausgewiesen, einer selten vorkommenden Gattung Straßen, auf denen motorisierter Verkehr nichts zu suchen hat - außer ein Zusatzschild erlaubt auch Autofahrern mit Anliegen die Durchfahrt. Der Birnbaumweg hat zum Teil solche Zusatzschilder, und ist dort also für jedermann offen. Erst die Kapstraße in Richtung Elbe ist reine Fahrradstraße und damit Radlern vorbehalten.

Die Polizei hatte nun mitgeteilt, auf der betreffenden Straße bei einer Verkehrskontrolle drei Autofahrer erwischt zu haben, die den Weg benutzten, „ohne im Besitz einer gültigen Berechtigung zu sein“. Der entsprechende Passus, im Birnbaumweg brauche man einen „Passierschein“ schaffte es in die Zeitung und löste offenbar große Verwirrung in Waldersee und darüber hinaus aus.

Stadt erklärt die rechtliche Situation

Nicht nur in Görickes Gärtnerei rufen seitdem Kunden an, die fragen, wie sie denn ohne „Passierschein“ nun noch einkaufen können. Autofahrer meldeten sich auch beim Walderseer Ortsbürgermeister Gerald Herbst (CDU), der MZ und der Stadt, die sich zu einer Klarstellung gezwungen sah.

„Entgegen der Darstellung des Artikels ist der Birnbaumweg aus Richtung Waldersee auch ohne eine Ausnahmegenehmigung befahrbar. Lediglich für die Nutzung der Kapstraße zwischen den Ortsteilen Waldersee und Roßlau ist eine solche Ausnahmegenehmigung erforderlich“, sagt Stadtsprecher Ralf Schüler. Die Gewerbetreibenden des Birnbaumweges könnten also auch weiterhin mit dem Fahrzeug unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung aufgesucht werden.

Höchtgeschwindigkeit: 30 Kilometer pro Stunde

Doch was die genau für eine Fahrradstraße vorschreibt, wissen viele Autofahrer offenbar gar nicht. Das bekommt zumindest Göricke immer wieder mit. „Auf einer Fahrradstraße gilt unter anderem Tempo 30“, weiß er. Vor Einführung der Fahrradstraße habe ein Tempo-30 Schild Autofahrern klar zu verstehen gegeben, wie schnell im Birnbaumweg gefahren werden darf. Diese Klarheit ist nun offenbar dahin. „Es war vorher Tempo-30-Zone und jetzt auch. Aber woher soll der Bürger das wissen?“, fragt der Geschäftsführer. Auf dem eckigen Schild ist lediglich ein weißes Rad auf blauem Grund mit dem Zusatz „Fahrradstraße“ zu sehen. Spätestens ab dem Ende der Bebauung werde oft deutlich schneller gefahren. Was eine Fahrradstraße genau ist, wissen offenbar nur die wenigsten.

Nicht jeder kennt die Regeln, die hier gelten.
Nicht jeder kennt die Regeln, die hier gelten.
Thomas Ruttke

Helfen kann (und muss) Ortsbürgermeister Herbst. „Als Anlieger gelten im Birnbaumweg nicht nur Anwohner der Straße, sondern auch Kunden der Gewerbetreibenden, die über den Birnbaumweg erreichbar sind“, verdeutlicht er. Zu den Gewerbetreibenden zählen die Baumschule Görickes, die Walderseer Niederlassung des Agrarbetriebs Mildensee und auch das Forsthaus Leiner Berg.

Die Idee ist gut, nur an Aufklärung fehlt es

Neben besagter Tempo-30-Regel müssen die Verkehrsteilnehmer noch auf andere Vorschriften achten. So ist auf Fahrradstraßen das Nebeneinanderfahren von Radlern grundsätzlich erlaubt. Autofahrer müssen langsamer fahren, wenn sonst Radfahrer gefährdet würden.

Nach Beschwerden der Anwohner des Birnbaumwegs über zu schnelles Fahren in der nur 4,50 Meter breiten Straße mit unbefestigten Gehwegen hatte sich die Stadt zur Umwidmung in eine Fahrradstraße entschieden. Ob sie sich und den Einwohnern Waldersees damit einen Gefallen getan hat, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. „Die Idee ist sicher nicht die schlechteste, man müsste es den Leuten nur erklären“, sagt Göricke.