Untersuchung von Bohrkernen Untersuchung von Bohrkernen: Wird Dessau eine Endlagerstätte für radioaktive Abfälle?

Dessau - Die bundesweite Suche nach einer Endlagerstätte für radioaktive Abfälle hat auch Dessau-Roßlau erreicht. Die Antwort, ob der geologische Untergrund der Stadt dafür in Frage käme, ist in 60 Kisten verborgen, die Mitarbeiter des Landesamtes für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalts am Donnerstag nach Halle geholt haben.
In den Kisten befinden sich insgesamt 650 Bohrkerne mit etwa 330 Millionen Jahre altem Gestein, die Bodo-Carlo Ehling, Abteilungsleiter Geologischer Dienst, und seinen Mitarbeitern die entsprechenden Aufschlüsse geben werden.
Das Gestein wird wissenschaftlich untersucht, fotografiert und in die Datenbank des Landesamtes eingepflegt. Bislang gehörte der Untergrund der Region um Dessau und Köthen zu den weißen Flecken. Die Bohrkerne, sagt Ralf Schüler, Sachbearbeiter Öffentlichkeitsarbeit in der Dessau-Roßlauer Stadtverwaltung, werden dem Landesamt als Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Die Landesbohrdatenbank umfasst eine Viertelmillion Bohrungen
Die Landesbohrdatenbank umfasst laut Ehling eine Viertelmillion Bohrungen. Darunter die tiefste mit über 5.200 Metern in der Altmark, die auf der Suche nach Erdgas in die Erde getrieben wurde. So tief erfolgte im Dessauer Raum die Entnahme von Bohrkernen nicht. Dennoch stammen sie auch hier aus einer Tiefe von 300 bis 400 Metern. Ein Bohrkern aus Kochstedt wurde bis in eine Tiefe von 301,5 Metern getrieben. Er besteht aus Diorit, durchsetzt mit Granitgängen. Ein anderer Bohrkern aus Edderitz wurde 1951 bis aus 421,6 Metern Tiefe entnommen. Glimmersandstein steht auf dem Etikett.
Die meisten der Bohrkerne, weiß Geologin Angelika Hesse aus dem Dessauer Naturkundemuseum, hat Prof. Langer geborgen. Er war Leiter der Bohrungen, hat einen jeden Kern etikettiert mit Fundort, Datum, Einordnung in die erdgeschichtliche Entstehungszeit und dem Material. Die Bohrköpfe waren bis 1978 im Heimatmuseum Köthen aufbewahrt worden. Als dort die geologische Abteilung schloss, kamen sie nach Dessau, so Hesse. „Zum Glück“, wie sie sagt, „sonst wären sie wohl entsorgt worden.“
Die meisten der Bohrkerne wurden zu DDR-Zeiten entnommen
„Das sind Unikate“, ist Bodo-Carlo Ehling froh, dass sie weiter aufbewahrt worden sind. Die meisten der Bohrkerne wurden zu DDR-Zeiten entnommen, erklärt er. Sie sollten Aufschluss geben über das Vorkommen von Bodenschätzen wie Uran, Braunkohle, Kupferschiefer, Kali oder Steinsalzen. „Die DDR wollte rohstoffmäßig autark sein“, erklärt er. Andere Bohrkerne wiederum wurden auf der Suche nach Grundwasserressourcen in den Untergrund getrieben.
In der Dessauer Region hat das Landesamt für Geologie nun etwa den Nachweis, dass Kupferschieferbohrkerne geborgen wurden. Zu einem Abbau kam es aus wirtschaftlichen Gründen aber nicht.
Entscheidung trifft nicht das Landesamt, sondern die Politik
Und wie sieht es aus mit der Eignung des Untergrunds als mögliche Endlagerstätte? Zwar liegt die Region Dessau in der mitteldeutschen kristallinen Zone, die durchzogen ist von Graniten, Granodioriten und Dioriten, was eine gute Voraussetzung wäre. Allerdings zeigen sich in den Bohrkernen verfüllte oder offene Klüfte.
Diese könnten dazu führen, das Grundwasser hindurchgelangt. Hinter einer möglichen Eignung, so Ehling, „steht ein großes Fragezeichen“. Die Entscheidung trifft aber nicht das Landesamt, weist er hin, sondern die Politik. Er ahnt, wo auch immer in Deutschland eine Endlagerstätte errichtet wird: „Das wird eine Akzeptanzfrage sein.“ (mz)
31 Bohrkerne aus Dessau und Umgebung sind im Dessauer Museum für Naturkunde und Vorgeschichte ausgestellt. Sie helfen die erdgeschichtliche Entwicklung im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen, sagt Geologin Angelika Hesse.
Mit der Thematik „Schätze aus dem Untergrund“ beginnt für Museumsbesucher der Rundgang durch die ständigen Ausstellungen. Anhand von Bohrkernen und ihrem auf einer Tafel ersichtlichen Fundort, werden urzeitliche Landschaften rekonstruiert.
So kann der Besucher einen nachempfundenen Steinkohlewald betrachten oder sich einen Eindruck von dem Lebensraum des Zechsteinmeeres machen. Das Pleistozän ist besonders berücksichtigt worden. Rekonstruktionen von Mammut, Wollnashorn und Höhlenbär vermitteln einen Eindruck der Großsäugetierfauna dieser Zeit.
Das Museum, Askanischen Straße 32, ist momentan geschlossen. Ab 1. Februar öffnet es mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.
