Übersetzer aus Dessau Übersetzer aus Dessau: Vom Wohnzimmer in die Welt

DESSAU-ROSSLAU - „Ach ja, der 11. September. Konnte ja keiner ahnen, dass es Mal so ein bekanntes Datum wird“, sagt Werner Heubner etwas nachdenklich. Es war der 11. September 2001, der mit dem Angriff auf das New Yorker World Trade Center die Welt des 21. Jahrhunderts für immer verändern sollte. Es war der 11. September 2011 als in der Region ein riesiges Unwetter wütete, das Wälder verwüstete, Häuser und Autos mit Riesenhagelkörnern stark beschädigte. Es gab da aber auch diesen 11. September 1995, als ein ehemaliger Lehrer mit 52 Jahren noch einmal beruflich neue Wege ging und in der Dessauer Ebertallee ein Übersetzungsbüro eröffnete. Heute, 20 Jahre später, hat Werner Heubner so viel zu tun wie noch nie. Ans Aufhören denkt er mit mittlerweile 72 Jahren aber noch lange nicht. „Irgendwie brauche ich das Ganze, es treibt mich an“, erzählt er. Woche für Woche arbeitet der Dessauer in der gesamten Region bis zu 40 Stunden als Deutschlehrer für Ausländer. Hinzu kommt noch Einzelunterricht bei ihm zu Hause, die Vermittlung von Dolmetschern und Übersetzungen in fast alle Sprachen und eigene Übersetzungen vom Deutschen ins Russische.
Das Lehrer-Gen in sich
Angefangen hat er vor 20 Jahren ganz bescheiden. „Mein erster Arbeitsplatz war im Wohnzimmer“, erinnert sich Heubner. Die ersten Übersetzungen brachten 30 bis 40 Mark im Monat. Finanzielle Unterstützung vom Staat hielt ihn über Wasser. Dann schwamm er sich frei. Der ehemalige Russischlehrer übersetzte nicht mehr nur selbst. Er begann auch Übersetzer anderer Sprachen an Kunden zu vermitteln, zu dolmetschen und andere Dolmetscher an die Kunden zu bringen. Auch in seinen alten Beruf kehrte er später wieder zurück. Russischen Spätaussiedlern brachte der Dessauer bei Bildungsträgern in den 1990er Jahren Deutsch bei. Aus den Schülern aus dem Osten sind heute überwiegend Menschen aus dem Nahen Osten geworden, die ihm jetzt gegenüber sitzen und meist als politisch Verfolgte oder Bürgerkriegsflüchtlinge die deutsche Sprache lernen. Er kann eben nicht anders. Er hat dieses Lehrer-Gen in sich.
1966 fing Heubner, der studierte Russisch- und Geschichtslehrer an, Schülern an den Polytechnischen Oberschulen 11, 17 und 21 Russisch beizubringen. Stationen an der Betriebsakademie Waggonbau, in der Leitungsebene der Dessauer Volkshochschule vor und nach der Wende, so wie ein Jahr an der Handelsakademie Prag mit der Qualifikation Deutsch für Ausländer folgten.
Günstige Lage
Mitte der 1990er Jahre zurück in Dessau, wollten viele Russen Deutsch, aber nur wenige Deutsche Russisch lernen. Mit seinem Übersetzungsbüro und seiner Fremdsprachen-Vermittlung ging Heubner auf neue sprachliche Entdeckungsreisen. Viele verschiedene Muttersprachler lernte er in den letzten zwei Jahrzehnten kennen. Geläufige Sprachen wie Englisch, Französisch und Spanisch sind dabei. Exotischere wie Arabisch, Chinesisch und Vietnamesisch, aber auch der breiten Öffentlichkeit fast unbekannte, wie Wolof, eine afrikanische Stammessprache oder Urdu, einer der Amtssprachen Pakistans. Bei Gericht, in Krankenhäusern, für Behörden und Unternehmen arbeiten die Dolmetscher und Übersetzer, die Heubner vermittelt. Das Internet erleichtert ihm die Suche. „Die günstige Lage Dessaus ist auch von Vorteil“, sagt Heubner. Durch die Nähe zu Berlin, Leipzig und Magdeburg können fremde Muttersprachler aus diesen Großstädten auch problemlos Aufträge in Dessau und Umgebung annehmen.
Unterschiedlichste Fragen
Wenn er von seiner Arbeit erzählt, hat das sowohl etwas Heiteres als auch Trauriges. Anfragen für Übersetzungen von Liebesbriefen für Urlaubsbekanntschaften in der Türkei und anderswo, aber auch Trauerbekundungen in den unterschiedlichsten Sprachen gingen schon über seinen Schreibtisch. Heubner arbeitet mit viel Diskretion. In seinem Büro im Keller seines Wohnhauses in der Ebertallee stapeln sich mittlerweile die Wörterbücher, Nachschlagewerke und Ordner.
Neue Möbel sind schon bestellt. Für seine heutige Jubiläumsfeier, zu der Kunden und Geschäftspartner eingeladen sind, steht schon ein Tisch für Glückwunschkarten und Präsente bereit. „Sprachen werden immer wichtiger und es braucht trotz Internet Menschen, die sie übersetzen und vermitteln. Da will ich noch lange mitmischen“, lässt der 72-Jährige keinen Zweifel daran, dass das heutige nicht sein letztes Firmenjubiläum ist, welches er begehen wird. (mz)