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Überraschung mit Raseneisenstein

Von HEIDI THIEMANN 13.09.2009, 17:35

MILDENSEE/MZ. - Und Harald Laue von den Mildensser Heimatfreunden sollte auch bei der 35. Auflage von Bauernmarkt und der 9. Auflage des Nordmannsfestes Recht behalten. Rund um den Napoleonsturm herrschten am Wochenende Jubel, Trubel, Heiterkeit. Rund 10 000 Besucher wurden gezählt. Hunderte kamen schon am Freitag zur Eröffnung des Festes, das mit einem Feuerwerk über dem Napoleonsturm gekrönt wurde. Ab Sonnabend dann lockten Trödelmarkt, Kremserfahrten, ein buntes Unterhaltungsprogramm auf der Bühne und Sonntag diverse Wettbewerbe. Alles selbst organisiert vom Mildenseer Festkomitee, wie der Vorsitzende der Heimatfreunde, Dieter Kaufmann, stolz erzählt. Er freut sich, dass die Mildenseer die drei tollen Tage ehrenamtlich auf die Beine gestellt haben.

Einer aber stand ganz besonders im Mittelpunkt: Der "Napo" wie der Napoleonsturm kurz genannt wird. Dessen 200. Jahrestag der Grundsteinlegung wurde am Sonnabend im feierlichen Rahmen gedacht. "Der Napoleonsturm gehört zum Weltkulturerbe und er ist den Mildenseern sehr ans Herz gewachsen", lässt Dieter Kaufmann keinen Zweifel aufkommen, dass der Turm ein wichtiges Wahrzeichen für den Ort ist. Die Heimatfreunde kümmern sich seit 2005 darum, seit die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz ihnen den Schlüssel übergeben hat mit der Verpflichtung, den Turm in Ehren und ringsum in Ordnung zu halten. 1809 - also vor 200 Jahren - ist der Grundstein für den Turm gelegt worden, wann genau, der Vorsitzende der Heimatfreunde muss passen, obwohl die Mildenseer viel in Archiven und alten Büchern recherchiert haben.

Dass die Feier jedoch zur richtigen Zeit erfolge, das bestätigt Ingo Pfeifer von der Kulturstiftung, als er am Sonnabend in der Feierstunde die wechselvolle Geschichte des Turmes Revue passieren lässt. "Im Oktober 1809 wurde angefangen mit bauen." Ein genaues Datum kann Pfeifer aber auch nicht nennen. Baumeister Carlo Ignazio Pozzi hat ihn für Fürst Franz nach dem Vorbild des um 100 vor Christus errichteten Turmes der acht Winde in Athen erbauen lassen. "Der Turm gehört zu den zahlreichen klassizistischen Bauten im Gartenreich. Er ist Teil des pädagogischen Gesamtkonzepts des Fürsten", sagt Pfeifer. Allerdings sei die Bestimmung des Gebäudes nie ganz klar geworden, denn "das Innere des Turmes wurde nie fertig gestellt". Jedoch habe der Fürst die schon zu seinen Lebzeiten im Volksmund bekannte Bezeichnung "Napoleonsturm" energisch abgelehnt, allerdings dem Bauwerk "nie einen endgültigen Namen gegeben".

Und so bleibt der Napoleonsturm für die Mildenseer wohl das, was er schon immer war: der Napo. Ob er wohl wie die Wallwachhäuser einst zum von Fürst Franz angelegten Hochwasserschutzsystem gehörte, der Mitarbeiter der Kulturstiftung konnte das nicht mit Bestimmtheit sagen, allerdings seien im Turm einst Sandsäcke, Bretter usw. gelagert worden. Doch auch zu anderen Zwecken wurde der Bau gebraucht und missbraucht: Für Kriegsgefangene im 1. Weltkrieg, als Mausoleum nach 1935 für den Gauleiter, nach 1945 als Lagerraum für Obst und Gemüse. Erst seit den 1970er Jahren, mit dem Aufleben der Tradition des Mildenseer Bauernmarktes ist der Turm wieder lebendiger geworden. Endgültig aus dem Schattendasein heraus trat das Gebäude nach 2002, als es durch das Hochwasser von Elbe und Mulde stark beschädigt und anschließend für 446 000 Euro saniert wurde. Seit 2005, betonte auch Pfeifer, ist der Heimatverein Partner einer "schönen Kooperation" geworden.

Ob Feste, Feiern, Goldene Konfirmation, Konzertort, Turmtheater oder Ausstellungen: die Nutzung ist vielfältig, wie die Fotopräsentation von Heimatfreund Axel Köhler beweist. Der Turm ist ist ein echter Bestandteil des Mildenseer Lebens. Auch Volksbank-Vorstand Manfred Bähr weiß das, lobt deshalb das Engagement der Mildenseer Heimatfreunde und übergibt ihnen einen 250-Euro-Scheck für die Festlichkeiten am Wochenende.

Vereinsvorsitzender Dieter Kaufmann, der dann mit einem Raseneisenstein aus einem Mildenseer Garten überrascht wird (Raseneisenstein ist im Turm verbaut) und sogleich mit Manfred Bähr und Ingo Pfeifer symbolisch nach 200 Jahren noch einmal den Grundstein legt, ist nicht nur stolz, sondern hat auch einen Wunsch. Dass der Turm endlich eine Beschilderung erhält - als Orientierung für die Touristen und Einheimischen. Bislang hatte dies die Kulturstiftung aus Vandalismusgründen nicht vorgesehen. Kaufmann hofft auf eine baldige Lösung. Denn schon in drei Jahren kann erneut gefeiert werden: Die Fertigstellung des Turmes vor 200 Jahren.