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Tine Wittler Tine Wittler: Grips statt Äußerlichkeiten

Von DANNY GITTER 06.04.2013, 16:44
Hatte viel Spaß in Dessau: Tine Wittler.
Hatte viel Spaß in Dessau: Tine Wittler. sebastian Lizenz

DESSSAU/MZ - Sie kam, sah und dekorierte ausnahmsweise mal nicht. Obwohl Tine Wittler von gefühlt 99 Prozent derer, die sie kennen, in erster Linie mit ihrer Sendung „Einsatz in vier Wänden“ in Verbindung gebracht wird, möchte sie nicht nur darauf reduziert werden. „Ja, ich bin die Wohnexpertin von RTL. Das gehört zu mir. Aber genauso gehört auch das Schreiben zu mir“, versuchte die üppige Fernsehblondine die Bilder im Kopf der Besucher im Radisson Blu Hotel zurechtzurücken. Als Journalistin für Tageszeitungen, Magazine, Funk und Fernsehen hat sie angefangen. Darüber hinaus Sachbücher und Unterhaltungsromane geschrieben. „Wer schön sein will, muss reisen“ ist ihre neueste Publikation, mit der sie seit September deutschlandweit unterwegs ist. Am Donnerstag nun in Dessau.

Ein Reisebericht ist es. Aber auch ein Selbstversuch, eine Selbsterfahrung und ein bisschen Gesellschaftskritik. Denn die Autorin bereiste keinen touristischen Hotspot, sondern ein ihr bis dato unbekanntes Land. Mauretanien an der Westküste Afrikas war ihr Ziel. Dreimal so groß wie Frankreich, 95 Prozent Wüste, gerade Mal drei Millionen Einwohner, Armut und Scharia. Was verschlägt ausgerechnet sie, die für Wellness und Gemütlichkeit steht, in eine so unwirtliche Gegend? Es war der August 2009, als Wittler sich in ein Ferienhaus in Dänemark zurückzog. Kraft tanken und den Stau im Kopf lösen wollte die Moderatorin, zugleich aber auch die Protagonistin ihres neuen Romans entwickeln.

Ein Pummelchen sollte es werden, eine Frau, die immer wieder am gängigen Schönheitsideal scheitert und zu zerbrechen droht. „Das Thema ist für mich allgegenwärtig. Oft fühlte ich mich in der Medienwelt wie der Elefant im Porzellanladen“, erzählte Wittler über persönliche Erfahrungen. Denn sie fällt in ihrer Branche aus der Norm. Ihre Protagonistin sollte einen Ausweg finden. Autorin Wittler fragte, ob es denn noch Länder ohne westliches Schönheitsideal gibt und wurde mit Mauretanien fündig. Dort sind Frauen um so begehrenswerter, je üppiger sie sind. Für Wittlers Roman der ideale Ausgangspunkt. Nachdem sie das Expose ihrer Lektorin schickte, wurde schnell klar, dass Wittler nur selbst die Protagonistin ihrer Geschichte sein konnte.

Also ließ sich die Moderatorin auf das Abenteuer ein. Die Reisevorbereitung dauerte fast anderthalb Jahre. Im Januar 2011 bestieg Wittler mit einem Kamerateam den Flieger an die afrikanische Ostküste. Rund zwei Monate tourte sie durch Mauretanien und begab sich auf die Spuren des anderen Schönheitsideals. „Eine schöne und bessere Welt ist es mitnichten“, ist Wittler heute ernüchtert. Sie begegnete großer Armut und traf sich mit einer mauretanischen Menschenrechtlerin, die den Kult um die Üppigkeit in ihrer Heimat heftig kritisiert. Mögen besonders weibliche Rundungen dort für Wohlstand stehen, sind die Methoden höchst umstritten. Zwangsmästungen von Mädchen sind Normalität. Mit Foltermethoden wird Brechreiz unterbunden, Medikamente für die Schweinemast verabreicht.

Westliche Einflüsse ändern daran wenig. Während Wittler das vor gut besuchtem Auditorium erzählte, lief im Fernsehen Heidi Klums „Germany’s next Topmodel“. Auf das Format mit der schlanken Blondine hat die üppige Blondine nur eine Antwort: „Frauen sollten sich nicht auf ihr Äußeres reduzieren lassen. Es ist nicht unsere Aufgabe schön zu sein, sondern unseren Grips zu benutzen.“

Im Herbst soll ein Dokumentarfilm zu der Reise in die Kinos kommen.