Theaterpredigt in Dessau Theaterpredigt in Dessau: Eine alltägliche Erfahrung

dessau/MZ - „Wir wollen in den dunklen Jahren durch unser Weinen lachen“, schreibt Wolfgang Borchert im Gedicht „Das ernste Lachen“. Der Zweite Weltkrieg steckte dem Autor mit seinen Verletzungen in den Gliedern und nahm sein junges Leben, als eigentlich alles schon vorbei war.
Alles vorbei? Das ist eine zentrale Frage für den Kriegsheimkehrer Beckmann, den Protagonisten von Borcherts einzigem Theaterstück „Draußen vor der Tür“. Kürzlich hatte es am Alten Theater Dessau Premiere in der Inszenierung von Nele Weber. Am Sonntag nahm in der Johanniskirche die 14. Dessauer Theaterpredigt darauf Bezug, umrahmt in feiner Abstimmung von Musik. Auf der Kanzel stand mit Geertje Perlberg gewissermaßen die Hausherrin, nämlich die Pfarrerin der gastgebenden Kirchengemeinde St. Johannis und St. Marien, die die Theaterpredigten gemeinsam mit der Evangelischen Landeskirche Anhalts und dem Anhaltischen Theater verantwortet.
In ihrer eindringlichen, sinnlichen und doch auf zahlreichen Fakten fußenden Predigt näherte sich Perlberg dem Thema von vielen Seiten: Sprachlosigkeit der Kriegsheimkehrer, zu Opfern gewordene Täter, Traumata, Tod und Lügen - in Kriegen früher wie heute. „Ich bin froh, dass ich die Bibel habe, die in unserer Sprachlosigkeit Dinge zu erzählen weiß, von denen wir höchstens eine Ahnung haben“, sagte die Pfarrerin. „Draußen vor der Tür“ zu stehen, sei zugleich eine alltägliche Erfahrung vieler Menschen – von Flüchtlingen, Arbeitslosen, Armen, Alten.
Der im Drama vorherrschenden Hoffnungslosigkeit stellte Perlberg einen Satz Beckmanns an ein Mädchen entgegen, den die Dessauer Inszenierung gestrichen hat: „Du bist die Lampe, die für mich brennt … wir wollen zusammen lebendig sein.“ Licht könne trösten und wärmen und als Zeichen der Hoffnung, „so Gott will“, einen Weg zeigen. „Wir sollten Türöffner sein für Menschen, die draußen sind, und leuchten, wenn es dunkel ist in einem anderen“, appellierte Geertje Perlberg.
In wunderbare Musik kleideten die Theaterpredigt Bariton Wiard Witholt vom Anhaltischen Theater und Landeskirchenmusikdirektor Matthias Pfund mit Borchert-Liedern des Zeitgenossen Tilo Medek und einer 1948 uraufgeführten Orgelmesse von Herbert Collum. Begonnen hatte der Nachmittag mit einem Mahler-Lied. Darin heißt es: „Um Mitternacht hab’ ich die Macht in deine Hand gegeben, Herr.“
„Draußen vor der Tür“ ist das nächste Mal am 9. Mai um 18 Uhr im Alten Theater Dessau zu sehen.