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Theater Dessau Theater Dessau: Den Glanzzeiten des Kristallpalastes auf der Spur

Von Ute König 13.01.2015, 08:30
Von der einstigen Pracht ist im Kristallpalast nichts mehr übrig.
Von der einstigen Pracht ist im Kristallpalast nichts mehr übrig. Anhalt Theater Dessau Lizenz

Dessau - Mit dieser Resonanz hat Andreas Hillger, Schauspieldramaturg am Anhaltischen Theater, nicht gerechnet. Im September startete er über die MZ einen Aufruf, dass sich Zeitzeugen, die sich noch an die Glanzzeiten des Kristallpalastes erinnern können, bei ihm melden sollen. Mittlerweile sind zahlreiche Geschichten und Dokumente zusammengekommen, mit denen er gemeinsam mit Ballettdirektor Tomasz Kajdanski ein ganz besonderes Stück für die Dessauer Bühne schreiben wird.

Am Donnerstag, dem 15. Januar, lädt er um 16 Uhr trotzdem noch einmal ein, um mit den Dessauern über den ehemaligen Veranstaltungsort ins Gespräch zu kommen und weitere Erinnerungen zu sammeln.

Zu der Gesprächsrunde lädt das Anhaltische Theater am Donnerstag, dem 15. Januar, um 16 Uhr ein. Im Vorfeld der Produktion „Kristallpalast“ werden noch immer Zeitzeugen gesucht, die von ihren individuellen Erinnerungen an das legendäre Tanzlokal berichten. Bei der Veranstaltung unter der Moderation von Ballettdirektor Tomasz Kajdanski und Schauspieldramaturg Andreas Hillger bietet sich erneut Gelegenheit dazu. „Ich erzähle vorab noch einmal etwas zu den bisher eingegangenen Geschichten und zum Stück, danach hoffe ich, dass sich viele nette Gespräche ergeben“, sagt Andreas Hillger im Vorfeld. Die Veranstaltung findet im Theaterrestaurant im Großen Haus des Theaters statt.

Premiere feiert das Stück „Kristallpalast“ am 8. Mai im Anhaltischen Theater. (uko)

Viele kleinere Anekdoten seien in den vergangenen Wochen an ihn herangetragen worden. „Wie sich Partner im Kristallpalast gefunden haben, solche Geschichten kommen immer wieder“, freut sich Hillger und spricht von süßen und berührenden Momenten, beispielsweise bei Gesprächen im Seniorenheim. In solchen Situationen sei immer wieder Lob ausgesprochen worden, dass das Anhaltische Theater dem Kristallpalast ein eigenes Stück widmen will. „Da wird deutlich, dass der Kristallpalast ein Schmerzpunkt ist und ein Sehnsuchtsort“, so Hillger. „Es herrscht große Trauer, dass es den Ort nicht mehr gibt.“

Viele verrückte Erinnerungen

Viele verrückte Erinnerungen waren ebenfalls dabei: Beispielsweise habe ein Zeitzeuge berichtet, dass die US-amerikanische Tänzerin und Sängerin Josephine Baker einen Auftritt im Kristallpalast hatte. Und eine besondere Überraschung war, als Hillger eine ganze Sammlung mit gebundenen Theaterprogrammen, aus der Zeit, in der der Kristallpalast als Ausweichort für das ausgebrannte Theater im Jahr 1922 diente.

All diese Ereignisse, zum Beispiel als Adolf Hitler im Palast eine rede hielt oder im Ersten Weltkrieg, als das Gebäude zum Lazarett umfunktioniert wurde, sollen in das Stück eingearbeitet werden. „Einst hatten wir Asyl im Kristallpalast, jetzt bekommt der Kristallpalast Asyl bei uns im Theater“, so Hillger.

Durch ein ganzes Jahrhundert

Um aus allem eine zusammenhängende Handlung zu machen, nimmt sich Hillger den Film „Le Bal - Der Tanzpalast“ von Regisseur Ettore Scola zum Vorbild. Ohne jegliche Dialoge werden dort verschiedene Zeitabschnitte des 20. Jahrhunderts erzählt. Genau dieses Prinzip übernimmt Hillger für „Kristallpalast“ und lässt das Schauspiel- und Ballettensemble pantomimisch und tanzend die Geschichte des Dessauer Kristallpalastes im 20. Jahrhundert erzählen.

Da nicht gesprochen wird, ist die Musik - mitsamt der passenden Gesellschaftstänze - ein entscheidender Faktor, an dessen Hand das Publikum durch die Zeit geschleust wird. „Ich habe mich durch zig Stunden Unterhaltungsmusik durchgehört“, erzählt Hillger. Schon das sei spannend gewesen. „Da zeigt sich, dass Musik ihre Zeit immer auch kommentiert.“

Außerdem führt der Dramaturg verschiedene Archetypen ein, die es in der Geschichte immer wieder gab und gibt. „Es gibt immer wieder das junge Paar, das sich im Kristallpalast kennenlernt. Es gibt immer wieder die verwitwete Alte, die auf der Suche nach einer neuen Liebe ist. Es gibt immer wieder die Diva, die abschätzig auf alle anderen herabblickt. Es gibt immer einen Wirt und immer eine Klofrau“, nennt Hillger einige Charaktere. Gleich besetzt, führen sie durch ein ganzes Jahrhundert und damit auch durch das Stück.

Kaputte Fußböden

Den Kristallpalast selbst wollen Tomasz Kajdanski und Andreas Hillger zum einen in seinem zerstörten Zustand, mit Graffitis, Spuren vieler Brände und einem kaputten Fußboden auf die Theaterbühne bringen. „Wahrscheinlich als Projektion“, erklärt Hillger. Zum anderen aber natürlich auch in seinem einstigen prachtvollen Zustand, also so, wie ihn die meisten Dessauer in Erinnerung haben. „Wir wollen den alten Kristallpalast wieder zu Ehren kommen lassen.“

Im Bühnenbild werden die Zuschauer den eigentlichen Saal wiedererkennen, die berühmte Bar und auch den Vorraum zu den Toiletten. Für authentische Kostüme sorgt Chefmaskenbildner Steffen Gerber. „Es wird eine schöne Revue des 20. Jahrhunderts“, verspricht Hillger. Dass es so wird, darauf legen er und Kajdanski bei diesem Projekt ganz besonderen Wert. Es soll eine Umarmung an die Stadt sein. Und darüber hinaus sei „Kristallpalast“ auch ein Abschied von der Generalintendanz des Anhaltischen Theaters, so Hillger. (mz)