Spirale der Gewalt Terror in Gartensparte "Eintracht" in Dessau: Laubenbesitzer leben in Angst

Großkühnau - Die letzte Nachricht kam am Sonntag per SMS: „Ich mache dich fertig. Ich schicke Dir jemanden nach Hause.“ Eine Botschaft, die bei Conny Freystadtl sofort Anspannung auslöste.
Der langjährige Vorsitzende des Kleingartenvereins „Eintracht“ in Großkühnau wird seit Wochen terrorisiert, lebt nach Gewaltangriffen durch einen 67-Jährigen in Angst. Dieser Mann aus Großkühnau wollte ursprünglich als Pächter die Gartenkneipe übernehmen - doch dann lief die Sache komplett aus dem Ruder. Und Behörden tun sich schwer, eine Lösung für das Problem zu finden.
Auto mit Hammer zu Schrott geschlagen
Die Vorwürfe: In der Gartensparte soll der 67-Jährige Freystadtls Laube verwüstet haben, dessen Auto mit einem Hammer zu Schrott geschlagen und die Gartenkneipe zerlegt haben. Zu etwa 30 Einsätzen musste die Polizei in den vergangenen Wochen ausrücken, auch im weiteren Umfeld des Verdächtigen.
Mehrere Anzeigen liegen laut MZ-Informationen vor: wegen Hausfriedensbruchs, Beleidigung, Bedrohung, Körperverletzung, wegen einer Sexualstraftat. „Ich bin mit meinen Nerven am Ende“, sagt der 62-jährige Freystadtl. „Das muss aufhören, wir wollen hier wieder angstfrei leben.“
Seinen Vorsitz im Verein hat Freystadtl inzwischen abgegeben. „Ich fühle mich einfach nicht mehr sicher in der Anlage. Und ich befürchte ernsthaft, dass noch Schlimmeres passiert. Der Mann muss dauerhaft aus dem Verkehr gezogen werden.“
Doch dafür bestehen hohe Hürden. Eine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Klinik setzt voraus, dass eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Beantragen kann diese Einweisung laut Dessau-Roßlauer Amtsgericht nur die zuständige Verwaltungsbehörde, also in diesem Fall die Stadt. Geprüft wird der Antrag dann vom Amtsgericht, auch ein ärztliches Gutachten ist nötig.
Mann wollte die Gartenkneipe in Dessau pachten
Dabei hatte es Ende Juni friedlich begonnen. Ein Mann meldete sich, er wolle die Gartenkneipe pachten, die im April abgegeben worden war. „Er wollte sich aber im Hintergrund halten. Das kam mir zwar komisch vor, aber ich hoffte das Beste“, sagt Freystadtl.
Der Vereinsvorsitzende bekam eine Vollmacht, damit er sich um die bürokratischen Formalien kümmert: Gewerbeanmeldung, Strom und Wasser anmelden, Personal einstellen. Doch für die Gewerbegenehmigung sind Dokumente nötig, die nicht über eine Vollmacht ausgestellt werden. Ein polizeiliches Führungszeugnis zum Beispiel und die Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamtes. „Ohne diese Genehmigung gibt es keinen Pachtvertrag. Das hatte ich dem Interessenten per Post und als SMS mitgeteilt. “
Und trotzdem legte der Mann los, strich unter anderem die Fassade der Gaststätte. Freystadtl untersagte ihm die Arbeiten, willigte aber einer Eröffnung der Kneipe am 1. August ein. „Ich dachte, die Genehmigung wird schon noch kommen.“
In rasend kurzer Zeit entwickelt sich Spirale der Gewalt
Sie kam nicht, stattdessen begann der Mann, Freystadtl und andere Laubenbesitzer zu beleidigen und zu bedrohen. Hunderte SMS sendete er dem Vorsitzenden, rief zu nachtschlafener Zeit an. Am 4. August sprach der Vorstand der Gartensparte ein Hausverbot für die Anlage aus.
Danach entwickelte sich in rasend kurzer Zeit eine Spirale der Gewalt. „Trotz Hausverbots war er fast täglich da, brach immer wieder in die Gartenkneipe ein“, sagt Freystadtl, der seit 1978 in der „Eintracht“ einen Garten gepachtet hat und vor zehn Jahren den Vorsitz für die Sparte übernahm. „Er hat auch meine Laube verwüstet und dort alles umgeschmissen.“ Immer wieder wurde die Polizei gerufen. Die nahm den Verdächtigen auch mit aufs Revier und musste ihn nach der Befragung gehen lassen.
Er brach Freystadtl den Finger, zerstach Reifen seines Autos
Am 12. August, Freystadtl saß mit zwei Gästen in der Gartenkneipe, „rannte der Mann wie ein Irrer in den Raum und ging auf mich los. Er hat mich ins Gesicht geschlagen, mir den Finger gebrochen“. Nur weil ein anderer eingriff, sei Schlimmeres verhindert worden.
In der Nacht kehrte der Angreifer offenbar zurück. Mit einem Fünf-Kilo-Hammer habe dieser alle Scheiben und sämtliche Blechteile von Freystadtls Autos zu Schrott geschlagen sowie Reifen zerstochen. Danach seien Fenster und Türen der Gartenkneipe eingeschlagen worden, sagt Freystadtl. „Dafür gibt es Zeugen.“ Die Polizei hatte den Verdächtigen nach dem Einbruch auf dem Gelände gestellt. „Aber er hat alles abgestritten.“
Er soll Taten per SMS angekündigt haben
Freystadtl geht von insgesamt etwa 8.000 Euro Sachschaden aus. „Das Schlimme ist: Er hat die meisten Taten vorher in SMS angekündigt. Was muss noch passieren? Uns alle belastet das sehr. Die Gartenfreunde haben Angst, schließen sich ein, die Tore sind zu.“ An Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) hat Freystadtl nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde geschickt. Darin fordert er, dass die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau eingreift.
Nach MZ-Informationen wurde der Mann bei der letzten Auseinandersetzung verletzt und liegt nun im Krankenhaus. Anfang September ist offenbar die Entlassung geplant. Droh-Nachrichten bekommt Freystadtl weiterhin.
Amtsgericht hat nun reagiert
Allerdings hat nun das Amtsgericht Dessau-Roßlau reagiert und für den Beschuldigten eine „vorläufige Betreuung für bestimmte Aufgabenkreise eingerichtet“, sagt Gerichtssprecher Frank Straube. Nähere Angaben seien mit Verweis auf den Datenschutz nicht möglich. Die Stadt Dessau-Roßlau arbeitet ebenso an einer Lösung. „Wir sind über das aggressive Verhalten und die Konflikte informiert“, so Sprecher Carsten Sauer. „Derzeit stimmen wir uns mit zuständigen Ämtern ab, um die Situation zu lösen.“ (mz)


