Tag des offenen Denkmals Tag des offenen Denkmals: Wie von Dessau aus einst die Nato abgehört wurde

Dessau - Ein Denkmal mit Baujahr 1988? Erstmals in der Serie der sachsen-anhaltischen Denkmaltage präsentieren die Funkamateure vom Ortsverband Dessau im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC) den Zehn-Meter-Parabol-Satellitenspiegel an der Alten Landebahn am Sonntag von 10 bis 17 Uhr dem Publikum.
Funkaufklärung für die NVA
In Betrieb genommen im Herbst 1988 für das in Dessau stationierte Funkaufklärungsregiment-2 der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR, im Oktober 1990 übergegangen in das Eigentum des Bundesvermögensamtes und dann der Stadt überlassen, hat sich seit 2000 der Funkamateur-Ortsverband eingemietet im Spiegel. Was wird da heute gemacht? Was lief von 1988 bis 1990 in dem streng abgesperrten Areal auf dem alten Flugplatz?
Die Funkaufklärer operierten zwar in Nachbarschaft der Pontonpioniere in der Kühnauer Straße, waren aber in einem ganz anderen Bereich tätig. Über die Soldaten hier und dort kursieren die gegenseitigen Spitznamen von „Gummiohren“ und „Hohlkörpern“, Kontakt bestand kaum.
Die Nato abgehört
Über den Spiegel nämlich wurde gelauscht in den anderen militärischen Block. Ab Oktober 1988 diente er zum Abfangen von Sendungen geostationärer Satelliten im Frequenzbereich von 3 bis 12 GigaHertz. Ziel war das Eindringen in die Satellitendatenkanäle der Nato-Streitkräfte.
Der Dessauer Bereich war streng gesperrt und nur von Berechtigten zu betreten. Und die hatten im Funkaufklärungsregiment nur Armeeangehörige der Satellitenaufklärung mit Dienstgraden vom Unteroffizier bis zum Major.
Im Schichtdienst wurde Nato-Funkverlkehr abgefangen. Und ausgewertet: Sprachnachrichten, Faxe, Daten aus militärischen Fernsehkanälen. „Die Funkaufklärer in Dessau waren 24 Stunden ,on Air’“, sagt Peter Blümer.
Der Funkamatuer hat im Verlag Dr. Köster Berlin ein Buch zur „Militäraufklärung der NVA“ herausgegeben. Gemeinsam mit DARC-Ortsverbandschef Thomas Schmidt und Funkamateur Christian Roch steht Blümer am Sonntag den Besuchern für Gespräche bereit. Eine kleine Präsentation zeigt auch die Arbeit im Funkaufklärungsregiment.
Hochmoderne Erfassungstechnik
Hier waren neben dem Zehn-Meter-Parabolspiegel auch mobile Spiegel mit drei bis vier Metern Durchmessern im Einsatz. Die Erfassungstechnik war hochmodern und das Operationsgebiet reichte bis tief in Nato-Länder hinein.
Ob sich nun kleine Einheiten der Bundeswehr oder Nato-Großverbände bewegten, der funk- und funktechnischen Aufklärung der NVA entgingen Ende der 1980er Jahre nur wenige Signale ihrer Zielobjekte.
Verbindung zum Mond und zurück
Heute wird der Parabolspiegel von lizensierten Funkamateuren für Erde-Mond-Erde-Verbindungen über jeweils 380.000 Kilometer genutzt. Der DARC-Ortsverband Dessau hält den Satellitenspiegel auf dem ehemaligen Flugplatzgelände instand, modifiziert ihn für neue Anwendungen und betreibt ihn für internationale Kommunikation.
So konnte Kontakt zu Funkamateuren in 17 europäische Länder, die USA, nach Japan und Südafrika mit „Zwischenstopp“ über den Erdtrabanten Mond gehalten werden.
Den Mond exakt anzupeilen ist dabei gar nicht so einfach, „denn er dreht sich noch in sich und ist ziemlich schnell unterwegs und unter dem Horizont abgetaucht“, schmunzelt Hobbyfunker Schmidt: Ein Computer im Haus berechnet den Weg des Mondes und richtet den Satellitenspiegel automatisch auf ihn aus.
Und Schmidt lüftet noch ein Geheimnis für Unbedarfte: Funker richten sich nicht nach Sommer-oder Winterzeit, sondern melden in UTC (Universal Time Control). Auf dem Bildschirm tauchen auch Greenwich Null-Meridian und mitteleuropäische Sommerzeit MESZ auf. Aber das ist für die Funker „Küchenzeit“. Um 12.45 Uhr geht am Mittwoch der Mond auf. (mz)
