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Staatsoperette Dresden Staatsoperette Dresden: Stilvoller Ausklang des 21. Kurt-Weill-Festes

Von thomas altmann 12.03.2013, 18:44
Die Staatsoperette Dresden setzte den Schlusspunkt unter den Städte-Dreisprung.
Die Staatsoperette Dresden setzte den Schlusspunkt unter den Städte-Dreisprung. andreas burkhardt Lizenz

dessau/MZ - Leonard Bernsteins „1600 Pennsylvania Avenue“ wurde am 4. Mai 1976 uraufgeführt und am 8. Mai abgesetzt, George Gershwins „Blue Monday“ nach nur einer Vorstellung aus der Broadway-Revue „George White’s Scandals“ gekippt und Paul Hindemiths theatralische Hörszene „Sabinchen“ nicht in den Druck gegeben. Zudem kehrte Marie Galante erst eingesargt heim.

Das Fest ist aus. Die Staatsoperette Dresden entkorkte zum Abschlusskonzert im Anhaltischen Theater Dessau sprudelnd eine ganze Serie von Werken, denen früh die Luft ausging. Zudem klammert dieser reanimierende Schlusspunkt das große Thema der letzten drei Jahre, lässt den biografischen Städte-Dreisprung Revue passieren und fordert, es klingt wie die Mission dieses Festes, schon im Titel: „Kein U und E - Just Good Music!“, die Trennung von ernster und unterhaltender Musik bestreitend.

Hundertjährige Rückblende

„New York, New York!“ In Washington beginnt die Rückreise. „1600 Pennsylvania Avenue“ ist die Adresse des Weißen Hauses, in welchem Bernstein die Geschichte „der kleinen weißen Lüge“ und großen schwarzen Misere erzählt, eine hundertjährige Rückblende. Das Orchester vertanzt augenzwinkernd „The President Jefferson Sunday Luncheon March“. Der Chor trumpft, die Soprane glänzen und der Präsident (Marcus Günzel) führt eine noble staatsmännische Stimme. Warum fiel das Musical durch, zu doppelbödig für den Patriotismus?

Es folgt ein großes „E“. Marc Blitzstein, der schon in Berlin an Weills Tür klopfte, kurzzeitig bei Arnold Schönberg und später bei Nadia Boulanger in die Lehre ging, begegnete auf diesem Fest vor allem in starken, coupletselig unterhaltenden und politisch konnotierten Songs. Nun erklingt, selten gehört, „Orchestra Variations“. Das Thema zerfließt, wird abgebunden, gebrochen, aufgetürmt mit feinsinnigem Holz, bildreichem Blech und dringenden Streichern.

Durchgefallen und dennoch Urahn der „amerikanischen Oper“ kombinierte der junge Gershwin in „Blue Monday“ Opernelemente, Jazz und Rag sowie den Alltag mit einer tödlichen Geschichte von einer Frau zwischen zwei Männern. Die ganze Crew trifft den Blues, nicht erst Sam (Christian Grygas), der weiß, dass Montage blaue, melancholische Tage sind. Noch immer in Amerika: Mit „My Ship“ aus „Lady in the Dark“ erreicht Elke Kottmair unter fleckenlosen therapierten Segeln den Hafen. Es folgt ein kleines umjubeltes Finale: Olivia Delauré legt ein Stück Broadway auf die Bühne, singt und tanzt doppelgesichtig mit weißer Maske am Hinterkopf und einem suggestiven Chor im Hintergrund durch „The Saga of Jenny“. „Poor Jenny“ und Bravo! - Und Pause bis Paris, beinah: Weills „Suite Panaméenne“ nach „Marie Galante“ mag ohnehin operettenselig sein. Ein wenig schlanker, traumverlorener hier und schnittiger da, wäre zudem manch farblicher Zwischenschritt erwünscht. Ankunft in Berlin und drei Groschen für diese Freundschaft: Der „Kanonensong“ scheint aus Krupp-Stahl gegossen. Elmar Andree und Gerd Wiemer wohnen auf scharfen Geschützen. Dann weint, umfangreich artikuliert und doch überspielt, Elke Kottmair Johnnys Pfeife aus. Im „Alabama-Song“ wird sogleich der Mond geputzt: Jessica Glatte hat viel „E“ in der schönen Stimme. Es schäumt „Der Silbersee“, unversöhnlich groß gerät die „Rache-Arie“ des Severin von Christian Grygas.

Eine bunte Parodie

Ein Bonbon wird am Ende gereicht. Dirigent Ernst Theis hat „Sabinchen“ rekonstruiert. Hindemith setzte und bereicherte die Moritatenparodie im Laboratorium der neuen Medien für das Radio; und die Lautsprecher knarzten zur Uraufführung. Das ist - „E“ und „U“ gleich „EU“ - eine wahrlich bunte Parodie, mit zaghaften Geräuschemachern und Kommentatoren, mit einem vorwitzigen Kastengeist von Sohnemann (Ferdinand Linsmann), einem dienstbereiten Sabinchen (Jeannette Oswald), die auf hohem Niveau liebt und leidet, und einem Schuster (Bernd Könnes), der so frappant ignorant wie messerscharf mordet und zum Galgen geht. Merke: Der Mörder ist immer der Schuster und kommt aus Treuenbrietzen, denn das Örtchen reimt sich auf „rausspri(e)tzen“. Was weicht dergestalt? Herzblut.