Spiel vor malerischer Kulisse
Raben/MZ. - Eine alte Sage ohne happy-ending: Das Kind im Turm bleibt für jedermann unsichtbar, soll zwölf Hemden nähen, darf aber nur alle 50 Jahre einen einzigen Nadelstich setzen. Und beim Befreiungsversuch sind seither wohl ebenso viele Ritter und Burschen gescheitert wie die Helden in Dornröschens Rosenhecke.
"An der Saale hellem Strande"...? Burgen stolz und kühn machten deren Flusslauf berühmt. Der Fläming aber ist nicht minder "burgenschwer". Und hat mit dem Rabenstein einen der romantischsten Zeitzeugen der Jahrtausendwende auf seinen Hügeln versammelt. Die Rosemarie-Sage ist der ideale Hintergrund für eine Zeitreise durch die alten Gemäuer; für die alljährlichen Ritterfestspiele zu Ostern.
Von Karfreitag bis Ostermontag laden zum mittlerweile zehnten Mal Neuland-Zeitreisen ein zum Mittelalter-Spektakel auf die Feste Rabenstein. Da schnauben die Rösser in edlen Schabracken unter der Last ihrer vollgepanzerten Reiter, klirren die Klingen der Schwerter, rasseln die Trommeln und tuten die Hörner. Die malerische Burgkulisse tut ein übriges. Hinter den Marketenderinnen mit ihren Töpferständen wird gefilzt, gewebt und gefärbt, wird Schaffwolle auf dem alten Spinnrad versponnen oder heizt der Schmied sein Feuer mit dem Blasebalg an.
"Das ist alles echt. Ohne verstecktes Elektrokabel", legt Jana Roy von Neuland Wert auf die ursprünglich-naturalistische Ausstattung der Ritterspiele auf dem Rabenstein. Gefärbt wird mit Naturfarben aus Zwiebeln oder Rinde, der Wildschweinbraten dreht sich am Eisenspieß über dem Holzfeuer und die Dudelsäcke von "Cradem Aventure" pfeifen mit brachialer Urgewalt.
120 Händler und Handwerker ziehen durch Vorhof, Burghof, Kapelle und Rittersaal. Natürlich in mittelalterlicher Gewandung, Aufmachung und Redeweise: "Gehabet euch wohl, meine Dame, und habet viele Freude itzo auf Rabenstein." Dafür sorgen etwa 35 Künstler vier Tage lang von 10 bis 19 Uhr mit ihrem Programm, angeführt vom Herold "Hannibal, der Heitere". "Unser Turnierherold, ja der hat ein Kopfmikrofon", räumt Jana Roy das einzige Zugeständnis an die moderne Zeit ein. Nach zwei Auftritten auf der Turnierbahn, da wäre auch ein ausgebildeter, geschulter Schauspieler ohne Stimme und könne nur noch pfeifen auf dem letzten Loch. So aber lästert Hannibals Zunge auch nach zwölf Ritterturnieren auf den Bahnen noch munter drauflos.
Tausende Besuche zog es auch zum Jubiläums-Festspiel auf den Rabenstein. Zum Kassensturz kommen Heike Sachadä, Katja Wiegand und Neuland-Assistentin Kathleen Kretschmer erst am Montagabend. "Gut gefüllt war die Burg immer", ist die einzige Schätzung, zu der sich die jungen Frauen vom Neuland-Team hinreißen lassen. Seit Oktober haben die Berliner Veranstalter um Jana Roye und Jens Nevermann das Programm ausgetüftelt, das Drehbuch geschrieben, die Künstler engagiert, die Händler akquiriert. Die heiße Phase startet dann anderthalb Wochen vor Ostern. Dann werden die Kulissen, Tribünen und Bühnen gezimmert, der Sand auf den Turnierplatz gekippt, die Burgsäle und Zelte eingeräumt. Und noch einmal das Programm geprobt. Die Rosemarie vom Spieljahr 2005 ist ein Schulmädchen aus Dipoldiswalde. Die kleine Freya Herold (11) also erlebt diesmal, auch dank Hilfe der Abrafaxe, tatsächlich ihre Befreiung. Aber nicht der Schwarze Ritter vom Rabenstein, nicht die Amazone Johanna vom Eichenwald und auch nicht "Piplice vom Schluckspecht" gewinnt das Turnier mit Ringstechen, Sarazenenritt, Saustechen und Eisernem Roland vor den Fenstern des Turmes. Ein Bauer ist's, von "Burkhardswalde", der für seinen verkaterten Lehnsherren in die Bresche springt, sich sogar beim dem Adel vorbehaltenen Tjosten (Lanzenstechen) auszeichnen darf und hoch zu Ross mit dem befreiten Mädchen dahingaloppiert...
Der Jahrtausend-Fluch also ist aufgehoben. Aber soll es auf dem Rabenstein nicht auch die elften Ritterspiele geben? Also Vorsicht, Rosi. Die Johannisnacht kommt bald...